Sanft zum Acker, schnell auf der Straße

Lesezeit: ca. 4 Minuten
Text: Juliane Gringer
Fotos: ISM IndustrieService Müller GmbH, Futtertrocknung Lamerdingen eG

Auch in der Landwirtschaft ist immer mehr Produktivität gefragt, und entsprechend gefordert sind die eingesetzten Maschinen. Mit einem vierachsigen Schnellläufer mit BPW Achsen, der auch auf der Straße bis zu 80 Kilometer pro Stunde zurücklegen kann, hat ISM FahrzeugService Müller ein Fahrzeug geschaffen, mit dem ein Kunde in Bayern effizient und bodenschonend Gras für die Verarbeitung zu Futtermitteln von Wiesen und Äckern holt.

Robust auf der Straße und gleichzeitig sanft zum Feld: Diese beiden Anforderungen sollte das Fahrzeug erfüllen, mit dem die Futtertrocknung Lamerdingen eG gemähtes Gras von Feldern holt, um daraus Futtermittel herzustellen. In Kooperation mit dem bayerischen Fahrzeugbauer ISM IndustrieService Müller entstand ein vierachsiger Schnellläufer mit 20 Tonnen Nutzlast, der optimal auf diese Anwendung abgestimmt ist. „Bei allem, was nicht Standard ist, braucht man einen Nischenhersteller wie uns“, erklärt ISM-Geschäftsführer Holger Müller. „Wir produzieren keine Masse, sondern individuelle Lösungen.“

Nutztiere ganzjährig gut ernähren

In der Anlage von Futtertrocknung Lamerdingen eG im Ostallgäu werden Pflanzen wie Gras, Luzerne, Mais, Sojabohnen oder Lupinen zu Ballen oder Cobs verarbeitet. „Das ist Trockengrünfutter in fingergroßen, zylinderförmigen Stücken“, erklärt Geschäftsführer Matthias Vögele. „Sie entstehen, indem wir die Rohstoffe häckseln, pressen und in unserer speziellen Trocknungsanlage dehydrieren.“ Vorteil für die Kundschaft: Das trocken Futter in Form von Ballen oder Cobs ist rund zwölf Monate haltbar und damit ideal geeignet, um einen Futtermittelvorrat anzulegen und so Nutztiere das ganze Jahr über konstant vitamin-, eiweiß- und mineralstoffreich zu ernähren. Eine 20-Tonnen-Fuhre junges, eiweißreiches Gras, die mit dem Schnellläufer vom Feld geholt wird, ergibt so viel Kraftfutter, dass damit 20 Kühe ein ganzes Jahr lang zugefüttert werden können.

Die Kunden und Liefranten der Futtertrocknung Lamerdingen sind vor allem Milchviehbetriebe, die hier aus dem Gras ihrer eigenen Felder heimische Eiweißfuttermittel produzieren lassen, sowie Ackerbaubetriebe, die mit dem Anbau von Kleegras oder Luzerne ihre Fruchtfolge auflockern wollen oder Betriebe, die einen Abnehmer für Gräser und Leguminosen suchen, die sie nicht selbst verfüttern können. Hinzu kommen Futtermittelunternehmen, die beispielsweise Mischfutter für Pferde oder Kleintiere herstellen und hierfür ihre Rohstoffe bei der Futtertrocknung Lamerdingen einkaufen, um sie dann in kleineren Gebinden und in Futtermittelmischungen an Endkundinnen und Endkunden abzugeben.

Schonend und gleichzeitig präzise und kraftvoll

Das gemähte Gras sammelt die Futtertrocknung Lamerdingen mit Ladewagen direkt von Wiesen und Äckern auf, nachdem die Landwirte und Landwirtinnen es dort gemäht und geschwadert haben: Das bedeutet, dass die Landwirte das Gras mit einer entsprechenden Maschine zu Reihen zusammenrechen, die sich dann einfacher aufnehmen lassen. „Wir brauchten ein Fahrzeug, das hier nicht nur möglichst schonend unterwegs ist und den Boden nicht verdichtet, sondern auch präzise arbeitet und die nötige Kraft aufbringt, um den Ladewagen schnell zu füllen“, so Vögele. Wenn es zu langsam vorangeht, besteht das Risiko, dass das Gras „must“: Dabei verdichtet es sich zu einem zähen Brei, der für die Trocknungsanlage kaum noch zu verarbeiten ist.

»Wir brauchten ein Fahrzeug, das nicht nur möglichst schonend unterwegs ist und den Boden nicht verdichtet, sondern auch präzise arbeitet und die nötige Kraft aufbringt, um den Ladewagen schnell zu füllen.«

Matthias Vögele, Geschäftsführer Futtertrocknung Lamerdingen

Die wichtigste Anforderung an das Fahrzeug: Es sollte in der Lage sein, längere Strecken bei normaler Geschwindigkeit auf der Straße zurückzulegen; gleichzeitig sollte es den Acker schonen, wenn es darauf fährt. Denn im Gegensatz zu anderen landwirtschaftlichen Fahrzeugen, die auf der Straße in der Regel nur wenige Kilometer weit zu umliegenden Feldern fahren, ist Futtertrocknung Lamerdingen als Dienstleister für viele Landwirte und Unternehmen und legt daher Distanzen von bis zu 100 Kilometern zwischen Feld und Anlage zurück. „Wenn zwischen Hof und Feld nur drei bis fünf Kilometer liegen, reicht ein klassischer 40-km/h-Schlepper mit Landwirtschaftsbereifung aus“, erklärt Matthias Vögele. „Wenn man aber 60 oder 80 km/h fahren will, ist die Lage eine andere. Für diese Anforderung gibt es kein Fahrzeug auf dem Markt.“

Er ging auf Holger Müller von ISM IndustrieService Müller zu, um eine Spezialanfertigung zu realisieren. „Wir standen vor der Herausforderung, dass ein Dreiachser zu einem Vierachser umgebaut werden sollte“, erklärt Holger Müller. „Dank unseres guten Kontakts zu BPW haben wir passende Achsen gefunden und konnten das Fahrwerk mit vier BPW Achsen ausstatten – zwei davon sind Lenkachsen.“ Den Acker schont das Fahrzeug vor allem dank seiner insgesamt 16 Räder: Sie sind mit Reifen aus dem gewerblichen Güterkraftverkehr ausgestattet, die auf der Autobahn mit 80 Stundenkilometern gefahren werden dürfen und als Zwillingsbereifung mit entsprechenden Sonderfelgen angebracht sind_ – das verteilt die Last.

Digitale Berechnung ergänzt handwerkliches Know-how

Am Anfang standen aufwendige Berechnungen, unter anderem der Lenkwinkel. „Wir haben uns mit den Technikern von BPW zusammengesetzt und entsprechend der Geometrie des Basisfahrzeugs die Tragfähigkeit berechnet“, berichtet Müller. „Über die Rahmenhöhe konnten wir dann die Fahrhöhe festlegen.“ Futtertrocknung Lamerdingen gab die Reifen vor und beschaffte passende Sonderfelgen. Das ISM-Team kalkulierte den nötigen Federweg. „Wir haben alles vorab am Rechner durchgespielt und die Lenkwinkel von Hand genau eingestellt“, so Müller. Auch die Einhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Maße des Bauraums bei landwirtschaftlichen Fahrzeugen musste berücksichtigt werden.

Jedes Projekt habe seine eigenen Herausforderungen, erläutert Müller. ISM baut beispielsweise auch Sonderanhänger für den landwirtschaftlichen Gemüseanbau, mit deren Hilfe die Kunden noch auf dem Feld direkt auf dem Anhänger Gemüse schneiden können. „Da müssen wir uns nach den vorhandenen Fahrspuren richten“, erklärt der Experte. „Oft soll das Fahrzeug möglichst niedrig gebaut sein – doch dann braucht man auch entsprechend tragfähige Reifen.“ So ist jeder Umbau eine individuelle Kooperation zwischen ISM, Kunde und Lieferant.

»Wir sind von der ersten Idee bis zur Auslieferung für unsere Kunden da – und auch in den Jahren danach.«

Holger Müller, ISM-Geschäftsführer

Begleitung von der ersten Idee an

Ziel von ISM ist immer, den Kunden entsprechend der technisch vorhandenen Möglichkeiten am Markt die optimale Lösung für sein Transportproblem zu bieten. „Dabei gehen wir auch mal an Grenzen“, sagt Holger Müller. „Gleichzeitig bieten wir After Sales und Service an. Wir sind von der ersten Idee bis zur Auslieferung für unsere Kunden da – und auch in den Jahren danach.“ Der Blick fürs Detail ist ihm wichtig: „Wir achten darauf, dass die Aufbauten optisch attraktiv sind, der Werkzeugkasten an der richtigen Stelle angebracht ist oder beim Ladewagen die Leitungen sauber verlegt sind. Der Kunde soll mit einem Lächeln vom Hof fahren – und dieses Lächeln soll ihm über die gesamte Nutzungsdauer des Fahrzeugs hinweg erhalten bleiben.“
Sein Großvater und Onkel haben das Unternehmen einst gegründet. Von Kindesbeinen an erlebte Holger Müller, mit welcher Leidenschaft die beiden das Geschäft betrieben. „Ich war schon immer von Lkw und Technik fasziniert und habe das große Glück, dass wir Kunden gefunden haben, die ähnlich ticken.“ Vor allem die persönlichen Gespräche motivieren und inspirieren ihn: „Wenn ich nach Lamerdingen fahre, da kennt jeder jeden, das ist eine tolle Atmosphäre. Man trinkt einen Kaffee zusammen, und dann entstehen im Gespräch auch mal neue Ideen.“

Das Team der Futtertrocknung Lamerdingen hat bereits den vierten Schnellläufer von ISM im Einsatz. Damit kann das Unternehmen dem wachsenden Bedarf an heimischen Futtermitteln für Wiederkäuer gerecht werden. Die Heißlufttrocknung, die das Unternehmen anwendet, wertet die Eiweiße des Rohstoffs zudem noch qualitativ auf. „So kann man die Kühe ganzjährig nährstoffreicher versorgen, als wenn sie nur das Gras im Sommer direkt von der Weide fressen“, so Matthias Vögele. Das Verfahren hat das Unternehmen selbst entwickelt. Nun stehen die Zeichen auf Expansion: Vögele will die Produktionskapazitäten erweitern. Die Schnellläufer haben die Grundlage für diesen Weg geschaffen.

ISM IndustrieService Müller GmbH

Die ISM IndustrieService Müller GmbH baut Fahrzeuge nach den individuellen Anforderungen ihrer Kunden auf. Pritschen-, Kran- und Schwertransportfahrzeuge oder Wechselaufbauten werden im CAD-Verfahren konstruiert, und das Team erarbeitet die nötigen Modifikationen, bevor die Planungen in der eigenen Werkstatt umgesetzt werden. Zum ISM-Team gehören 20 Personen in Vertrieb und Konstruktion. Sie arbeiten im bayerischen Dinkelsbühl/Sinbronn in einer 2.000 Quadratmeter großen Halle mit zwei Kranballen an den individuellen Sonderbauten – teilweise gehen dafür rund 1.000 Stunden Arbeitszeit ins Land. Für Arbeiten im Bereich Brennteile und Laserteile kooperiert ISM mit Zulieferern: So werden etwa Stahlteile oder die BPW Achsen angeliefert; ISM schweißt, lässt extern lackieren und übernimmt dann selbst wieder die Komplettierung von Elektrik bis Bremsen.

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