Komplett selbst mit Strom versorgt: Eine Spedition macht sich unabhängig

Lesezeit ca. 3 Minuten
Text: Juliane Gringer
Fotos: Seifert Logistics Group

Die Seifert Logistics Group hat ein hochmodernes Logistikzentrum an ihrem Hauptsitz in Ulm gebaut. Unternehmer Harry Seifert berichtete im September 2023 auf dem Wiehler Forum von BPW Bergische Achsen, wie er damit energieautark werden und sein Speditions- und Logistikunternehmen CO2-neutral machen will.

Mit einem Kilometer Logistikhallen am Autobahnkreuz A7/A8 hat sich Harry Seifert am Hauptsitz der Seifert Logistics Group in Ulm einen Lebenstraum erfüllt. Das hochmoderne Logistikzentrum, eingeweiht zum 75-jährigen Bestehen des Unternehmens Ende 2022, wurde mit klarem Fokus auf Nachhaltigkeit geplant und gebaut. Davon zeugt unter anderem die Photovoltaikanlage auf den Dächern der Gebäude, die bis zu 5,5 Megawatt Peak Strom liefert. Damit will Harry Seifert das Unternehmen energieautark machen. Er sagt: „Wir haben hier für die Zukunft gebaut.“

Drohnen und Roboter im Lager

Rund 100.000 Paletten werden per Drohne inventarisiert, es sind Kommissionier-Roboter eingesetzt und Seifert setzt additive Fertigung ein. Eine Fußbodenheizung ermöglicht komfortables Arbeiten und in den Büros sind besonders energiesparende Heiz-Kühl-Decken sowie ein spezielles Lüftungssystem installiert. Mit „Vollgas Richtung Zukunft“ – so lautet auch der Claim des Unternehmens, das auf Kontraktlogistik spezialisiert ist und besonders die Branchen Automotive, Baustoffe und Chemie bedient. 1.500 Lkw sind für Seifert unterwegs, viele davon mit BPW Achsen. „Wir hatten bei unserem Bauprojekt viel Glück, was das Timing anging, konnten es im Zeitplan umsetzen und waren genau dann fertig, als nach der Pandemiezeit die Auftragslage wieder kräftig anzog“, berichtete Seifert im September 2023 auf dem Wiehler Forum von BPW Bergische Achsen. „Mut gehört aber auch dazu: Man muss Entscheidungen treffen, losgehen und sich Dinge trauen. Wir sind Unternehmer, keine Unterlasser.“

»Wir wollen CO2-neutral werden.«

Harry Seifert, Vorsitzender des Beirats der Seifert Logistics Group

Sein erklärtes Ziel ist, dass sich das Unternehmen mit dem Strom, der in der PV-Anlage gewonnen wird, langfristig komplett selbst versorgen kann. „Wir wollen CO2-neutral werden“, sagt Seifert. Auf dem Weg zu diesem Ziel gibt es jedoch jede Menge Herausforderungen. „Die Stadtwerke wollten uns den Strom zuerst nicht abnehmen“, berichtet der Unternehmer. Er ließ daraufhin die Lage gutachterlich prüfen. „Dabei habe ich erfahren, dass es in der EU eine Transportverpflichtung für Strom gibt und die Werke ihn abnehmen müssen. Es lohnt sich, bei solchen Themen hartnäckig zu bleiben.“ Hinzu kommt, dass das Firmengelände durch eine Bundesstraße in zwei Teile getrennt wird – eine Hälfte gehört zur Gemeinde Dornstadt, die andere zu Jungigen. Beide Orte haben eine eigene Postleitzahl und Telefonvorwahl. „Laut dem Erneuerbare-Energien-Gesetz dürfen die Seiten einander gegenseitig keinen Strom geben“, so Seifert.

Viele regulatorische Hürden

Für dieses Problem ist noch keine langfristige Lösung gefunden. Bisher muss das Unternehmen den Strom ins Netz einspeisen und ihn dem Energieversorger wieder abkaufen. Seifert aber strebt eine autonome, nachhaltige Lösung an und will die Niederlassung in Ulm und perspektivisch auch die 44 weiteren Standorte der Unternehmensgruppe mit dem selbst gewonnenen grünen Strom betreiben. „Wir werden das sicher schaffen, aber es braucht seine Zeit und wir müssen einige Hürden überwinden“, sagt er. Er wünscht sich weniger regulatorische Einschränkungen und mehr Unterstützung für Unternehmerinnen und Unternehmer wie ihn, die in Lösungen investieren. „Die Wettbewerbsfähigkeit des Mittelstands muss gesichert werden.“

»Elektrisch betriebene Fahrzeuge werden bei uns während der Be- und Entladung digital gesteuert an der Rampe mit Strom versorgt.«

Harry Seifert, Vorsitzender des Beirats der Seifert Logistics Group

Dazu gehört auch der Umstieg auf alternative Antriebe. Für Elektrofahrzeuge im Fuhrpark sowie jene von Mitarbeitenden und Kunden hat das Unternehmen in Ulm Ladesäulen installiert. Seifert erläutert, dass er die Technologie vorzugsweise im Shuttle- sowie Werksverkehr und im Nahbereich einsetzt: „Die Fahrzeuge werden bei uns während der Be- und Entladung digital gesteuert an der Rampe mit Strom versorgt.“ Auf langen Strecken ist es für ihn realistischer, mit E-Fuels oder Wasserstoff betriebene Fahrzeuge einzusetzen. Er hat deshalb auch alle Voraussetzungen für eine eigene Ladeinfrastruktur in Ulm geschaffen. Eine Tankstelle der Zukunft, genannt „New Energy Hub“, soll mit konventionellen Treibstoffen sowie Strom, Wasserstoff und E-Fuels den eigenen Bedarf decken sowie an externe Kunden gerichtet sein und so zur Akzeptanz und Etablierung von alternativen grünen Treibstoffen beitragen.

Logistik ist für die Gesellschaft unerlässlich

Für Harry Seifert ist die Logistik für die Gesellschaft unerlässlich. Er vergleicht sie mit dem Blutkreislauf im menschlichen Körper: „Wir versorgen alles.“ Am Aufbau dieser Versorgung hat er selbst in den vergangenen Jahrzehnten intensiv mitgewirkt: Mit fünf Mitarbeitenden begann die Geschichte des Unternehmens im Jahr 1947, heute sind es rund 4.000. Harry Seifert ist inzwischen Vorsitzender des Beirats, sein Sohn Julian ist bereits eingestiegen und steht für die dritte Generation des Familienunternehmens. Mit Axel Frey als CEO wurde die Geschäftsführung bereits um eine Generation verjüngt. Seifert senior weiß, dass sein Unternehmen von den Menschen lebt, die dort tätig sind. Deshalb hat er die Mitarbeitenden und deren Wohlbefinden auch bei der Planung des Großprojekts am Standort Ulm ganz klar in den Mittelpunkt gestellt: Er will ihnen gesunde Arbeitsplätze bieten, an denen sie sich wohlfühlen – ganz nach dem Motto „Mitarbeiter First“.

Dem Fachkräftemangel sowohl im kaufmännischen als auch im gewerblichen Bereich stellt sich das Unternehmen entgegen, indem es sich als Branchenführer in puncto Arbeitgeberattraktivtität positionieren möchte. Dieses Ziel wird auf drei Säulen aufgebaut: einem gesundheitsfördernden Arbeitsumfeld, gesunder Ernährung und körperlicher Fitness. Sie werden vor allem in der modern gestalteten Bürowelt mit offenen Arbeitsbereichen, Lounges und Kreativ-Räumen sichtbar sowie im hauseigenen Fitnessstudio, das die Beschäftigten kostenlos nutzen können. Und im Betriebsrestaurant „Franzl“, benannt nach dem Firmengründer Franz Xaver Seifert, wo täglich frisch gekocht wird. Harry Seifert ist eine gute Unternehmenskultur sehr wichtig – neue Beschäftigte bekommen erfahrene Teammitglieder als Patinnen und Paten an die Seite gestellt, Auszubildende begrüßt er immer persönlich. Das umfangreiche Engagement wird wahrgenommen: „Wir bekommen viele Initiativbewerbungen.“

Click to rate this post!
[Total: 0 Average: 0]

Previous

Sagen Sie uns Ihre Meinung zum Artikel

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert