Text: Oliver Schönfeld
Fotos: Agora Verkehrswende, Hochschule Darmstadt, BIEK e.V., Shutterstock
Und täglich grüßt die Blechlawine: Der Dauerstau ist in vielen Ballungsräumen zur Routine geworden. Verantwortliche in den Städten suchen nach Auswegen aus dem Verkehrskollaps – und vor dem Hintergrund der Reformierung des Straßenverkehrsrechts nach neuen Konzepten für eine stabil funktionierende urbane Logistik.
Reform des Straßenverkehrsrechts
Wolfgang Aichinger, Projektleiter Städtische Mobilität bei der Initiative Agora Verkehrswende, pflichtet Follmann bei: „Gegen das Halten und Parken auf Radwegen, in der zweiten Reihe oder im Kreuzungsbereich, wie es heute häufig im Lieferverkehr vorkommt, helfen mehr Ladezonen. Die Stadt Wiesbaden ist ein gutes Praxisbeispiel für deren systematische Ausdehnung.“ Ein neues Verkehrsschild, das solche Ladebereiche ausweist, ist Aichinger zufolge nicht zwingend erforderlich. „Es würde aber, wie so oft im Verkehrsrecht, die Anordnung und die Verständlichkeit wesentlich verbessern.“ Dazu gehöre auch, die Nutzung dieser Ladebereiche zu kontrollieren und die Halterinnen und Halter womöglich falsch dort parkender Pkw zu sanktionieren. Ein weiterer Vorschlag von Wolfgang Aichinger: „Im Neubau von Gebäuden und Quartieren sollten Logistikflächen auch auf privatem Boden errichtet werden. Für die Transformation zu einer emissionsfreien Logistik können Null-Emissions-Zonen einen Beitrag leisten.“

»Gegen das Halten und Parken auf Radwegen, in der zweiten Reihe oder im Kreuzungsbereich, wie es heute häufig im Lieferverkehr vorkommt, helfen mehr Ladezonen.«
Wolfgang Aichinger, Projektleiter Städtische Mobilität bei der Initiative Agora Verkehrswende
Um den großen Konsens unter den Interessenvertretungen wie dem Bundesverband Paket und Expresslogistik e. V. (BIEK) oder dem Radlogistikverband Deutschland e. V. aufzuzeigen, hat Agora aktuelle Vorschläge zur Reform des Verkehrsrechts zusammengeführt. Vertiefende Einblicke bot unlängst eine Online-Diskussion mit Vertreterinnen und Vertretern aus Wissenschaft und Politik zum Thema „Straßenverkehrsrecht umfassend reformieren – welche Schritte sind dafür notwendig?“. Dort wurde nochmals deutlich: Die Kommunen erhoffen sich von der Anpassung des Straßenverkehrsrechts insbesondere mehr Handlungs- und Entscheidungsspielräume vor Ort.

So ist das Ausweisen von Tempo 30 bislang an hohe bürokratische Hürden und streng definierte Rahmenbedingungen gebunden, etwa an das Vorhandensein einer Kindertageseinrichtung in direkter Nähe. Das Präsidium des Städtetags fordert in einem Beschluss vom September 2021, dass Kommunen stattdessen innerorts auf einzelnen Straßen eigenständig die Höchstgeschwindigkeit auf 30 Stundenkilometer senken können – unabhängig von besonderen Gefahrensituationen. Zudem werden Modellprojekte angeregt, um die Auswirkungen eines generellen Tempolimits auf innerstädtischen Straßen auszuwerten.

»Geschwindigkeiten von 30 Stundenkilometern unterstützen gleichmäßigere Verkehrsabläufe.«
Prof. Dr. Jürgen Follmann, Dekan der Hochschule Darmstadt
Auswirkungen auf die urbane Logistik
Prof. Dr. Follmann schließt sich diesen Forderungen des Städtetages an: „Geschwindigkeiten von 30 Stundenkilometern unterstützen gleichmäßigere Verkehrsabläufe. Sie sollten auf Streckenabschnitten vorgesehen werden, auf denen sich die verschiedenen Verkehrsarten stark überlagern, um die Verkehrssicherheit zu verbessern sowie Schadstoffausstoß und Lärm zu verringern.“ Nach seiner Vorstellung würden Hauptverkehrsstraßen mit eigenen Anlagen für den Radverkehr in der Regel weiterhin mit Tempo-50-Schildern versehen werden.