„Die Transportbotschafter“ brechen eine Lanze für die Logistik

Lesezeit: ca. 6 Minuten
Text: Joachim Geiger
Fotos: Transportbotschafter, Daniel Koebe

Welche Aufgaben hat eigentlich ein Transportbotschafter? Beim Auswärtigen Amt findet sich zu dieser Frage ebenso wenig eine Antwort wie bei Wikipedia. Am besten also, man fragt jemanden, der diese Bezeichnung bereits auf der Visitenkarte führt. Zum Beispiel Jens Thiermann, Vorsitzender des Vereins „Die Transportbotschafter e. V.“.

Jens Thiermann aus Erkrath bei Düsseldorf bevorzugt den standesgemäßen Auftritt, wenn er als Transportbotschafter in offizieller Mission auf Achse ist. Sein Dienstwagen ist ein mit vielerlei Zubehör bestens ausgestatteter Daimler, genauer: ein Freightliner Cascadia des Baujahrs 2019, den die Schwaben in Colorado Springs für den US-Markt auf die Räder gestellt haben. Hierzulande ist der rund 560 PS starke Langhauber natürlich mit EU-Zulassung unterwegs. Der niedersächsische US-Truck-Händler Klekamp hat den auf BPW Achsen rollenden Trailer in der Metallwerkstatt gekürzt, damit der Sattelzug die erlaubte Länge von 16,50 Metern nicht überschreitet. Dass der prachtvolle Lkw mit den tiefgezogenen Seitenschürzen an Zugmaschine und Trailer bewundernde Blicke auf sich zieht, ist Jens Thiermann gerade recht – schließlich ist Publicity sein Geschäft. Der Rheinländer ist als Gründer und langjähriger Chef der Frachtenbörse Timocom nicht nur ein in der Wolle gefärbter Logistiker. Der 59-Jährige ist auch Vorsitzender des gemeinnützigen Vereins „Die Transportbotschafter e. V.“, dessen Zweck er so beschreibt: „Wir wollen das gesellschaftliche Ansehen der Transport- und Logistikbranche in Deutschland fördern und auf ihre Belange aufmerksam machen.“

Der Dienstwagen von Jens Thiermann ist ein Freightliner Cascadia, Modell 2019, der nach aufwendigen Umbauten durch den US-Truck-Händler Klekamp mit der EU-Zulassung auf Achse ist. Der Langhauber ist ein Unikat. Die tiefgezogenen Seitenschürzen an Zugmaschine und Trailer sorgen für einen perfekten Unterfahrschutz und eine gute Aerodynamik.

Mit dem Freightliner dem Trucker-Alltag auf der Spur

Die zentrale Aussage der Transportbotschafter ist, dass heutzutage alle Menschen auf Logistik angewiesen sind. Diesen Gedanken kommuniziert Jens Thiermann gemeinsam mit einem medienerfahrenen Team von rund einem Dutzend Mitarbeitern auf vielen Kanälen. Der Freightliner Cascadia spielt dabei als Blickfang eine wichtige Rolle. Das Design des blau-grün folierten Trailers zeigt auf den Längsseiten eine Menschenmenge aus stilisierten Porträts, über der in großen Lettern das Motto der Transportbotschafter steht: „Everybody needs logistics“. Der Truck kommt vorzugsweise dort zum Einsatz, wo er eine große Bühne vorfindet – zum Beispiel auf Berufsmessen, bei Sportereignissen und Events der Logistikbranche. Jens Thiermann ist dann jederzeit für ein zünftiges Benzingespräch oder einen Logistik-Talk zu haben. Gerne bietet er seinen Gästen dazu einen Platz auf den Ledersesseln im Fond des geräumigen Fahrerhauses an.

Thiermann selbst nutzt seinen Dienstwagen regelmäßig für Studienfahrten in Sachen Logistik: Wie sieht der Alltag der Berufskraftfahrer auf der Straße und den Rastplätzen heute aus? Wie steht es mit der Chemie zwischen Fahrer und Verlader? Was geht an der Rampe beim Empfänger vor? Fragen wie diese treiben den Transportbotschafter um. Einmal in der Woche klemmt er sich hinter das Steuer, um mit regulärer Fracht im Laderaum den Antworten nachzuspüren. Vor Kurzem sollte er bei einem niederländischen Kunden eine Ladung Haferflocken anliefern. Weil an der Rampe kernige Flocken von der Palette rieselten, musste Thiermann fast den kompletten Ladungsträger leerräumen, um die beschädigte Verpackung zu finden. Trotzdem zieht er ein positives Fazit der Tour. „Das Personal war ausgesprochen freundlich. Zwischendurch wurde ich zum Kaffee in die Kantine eingeladen.“ Auch andere Trucker haben Thiermann berichtet, dass die Fahrer bei den europäischen Nachbarn besser behandelt werden als in Deutschland. Ob das stimmt? In den nächsten Monaten will der Transportbotschafter mit seinem Lkw nach und nach die Grenzregionen um Deutschland herum erkunden, um der Sache auf den Grund zu gehen. Brauchen kann er diese Erfahrungen auf jeden Fall – die Logistik ist bekanntlich ein weites Feld. Aber wie erklärt man Außenstehenden, was Logistik ist? Ein Blick auf die Vita von Jens Thiermann könnte dazu hilfreich sein. Der Spediteur und IT-Unternehmer hat nämlich mit seiner Frachtenbörse bereits Logistikgeschichte geschrieben.

»Einfach kann jeder.
Ich habe immer das gemacht, was andere nicht machen.«

Jens Thiermann, Vorsitzender,
Die Transportbotschafter e. V.

»Einfach kann jeder. Ich habe immer das gemacht, was andere nicht machen.«

Jens Thiermann, Vorsitzender, Die Transportbotschafter e. V.

Jens Thiermann setzt sich als Vorsitzender des Vereins „Die Transportbotschafter e. V.“ für die Belange der Logistik ein.

Vom klassischen Logistiker zum IT-Unternehmer

„Einfach kann jeder. Ich habe immer das gemacht, was andere nicht machen“, beschreibt Thiermann sein persönliches Credo. 1986 gründet er als junger Speditionskaufmann zusammen mit einem Kollegen die Spedition Timotrans, die sich auf Transporte ins damalige Jugoslawien spezialisiert. Ihre Markenzeichen sind Professionalität und ein gutes Gefühl für die Mentalität der osteuropäischen Frachtführer. Die Welt der Logistik ist damals noch weitgehend analog – Telefonhörer, Stift, Block und Speditionsadressbuch sind die wichtigsten Hilfsmittel der Disponenten. Mitte der 1990er-Jahre ist die Zeit reif für den Umstieg vom klassischen Logistiker zum IT-Unternehmer in der Logistik. „Ich hatte das Gefühl, etwas verändern zu müssen“, beschreibt Thiermann diese Phase seines Berufslebens. 1997 gründet er die digitale Frachtenbörse Timocom. Das System funktioniert wie ein Schwarzes Brett, das einen Transportauftrag und einen Lkw mit freiem Laderaum zusammenbringt. Zu Beginn ist die Infrastruktur mit zwei Dutzend Rechnern und Modems vom Discounter noch bescheiden. Trotzdem nimmt das Geschäft Fahrt auf. Vor allem bei den Disponenten hat die Frachtenbörse bald einen Stein im Brett, weil sie das Alltagsgeschäft leichter macht. Dass Timocom den Service zu einem monatlichen Festpreis anbietet, ist ein weiterer Faktor für den Erfolg.

Mit der Frachtenbörse nimmt die Digitalisierung Fahrt auf

Der Hauptfokus liegt zunächst auf Komplettladungen unter Plane nach Osteuropa. Doch mit jedem neuen Kunden erweitert sich das Portfolio. In den 2000er-Jahren nutzen immer mehr Anwender die Frachtenbörse auch für den innerdeutschen und europäischen Markt. Irgendwann tauchen im System die ersten Angebote für Teilpartien auf, bald darauf die ersten Tankfahrzeuge. Gut zwei Jahrzehnte nach dem Start der Frachtenbörse weht in dem nach modernsten Energie- und Umweltstandards gebauten Bürokomplex am Stammsitz in Erkrath ein Hauch von Silicon Valley. Wirtschaftsexperten zählen das Unternehmen zu den besten mittelständischen Arbeitgebern Deutschlands. Timocom beschäftigt über 500 Mitarbeiter aus rund 35 Nationen, die Tag für Tag über 750.000 Fracht- und Laderaumangebote managen. Ein Ende der Erfolgsstory ist nicht in Sicht. Jens Thiermann allerdings hat das Steuer seines Unternehmens bereits im April 2019 an die nächste Generation übergeben. Sein ältester Sohn Tim (30) und der Logistikmanager Sebastian Lehnen (36) wollen Timocom konsequent zum Systemanbieter für die digitale Steuerung und Abwicklung von Transporten im Straßengüterverkehr weiterentwickeln.

Die Transportbotschafter erklären, wie Logistik funktioniert

Als Transportbotschafter steht Jens Thiermann jetzt auf einer anderen Seite – nicht mehr mittendrin, aber doch ganz nah dran. Für sein Engagement hat er eine überzeugende Motivation: „Es ist Zeit, der Branche nach über 20 erfolgreichen Jahren etwas zurückzugeben“, sagt Thiermann. Unter anderem produziert sein Medienteam Beiträge zu Themen wie Sicherheit, Umwelt und Nachhaltigkeit. Es erklärt, wie Logistik für saubere Städte sorgt, wie der Black Friday die Logistik auf Hochtouren bringt oder wie Äpfel aus Chile ins heimische Supermarktregal kommen. Sehenswert ist das in Eigenregie produzierte Video, das zeigt, welche Wege die aktuellen Heimtrikots der Düsseldorfer EG hinter sich haben, bis sie bei den Eishockeyspielern ankommen.
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Auch an neuen Themenfeldern tüfteln die Transportbotschafter. „Wir sind gerade in der Findungsphase“, beschreibt Thiermann den Status. Auf der Agenda steht seit Kurzem die Petition „Mehr Wertschätzung in der Logistik“, mit der die Transportbotschafter auf die Situation der Beschäftigten in der Logistik aufmerksam machen wollen. Auf der Website des Vereins können Unterstützer sie mitzeichnen. Dazu kommen zwei Aktionen: „Hand in Hand durchs Land“ soll das partnerschaftliche Verhalten zwischen den Fahrern von Pkw und Lkw fördern. Achtung: Toter Winkel!“ wiederum schreibt sich die Sicherheit von jungen Verkehrsteilnehmern auf die Fahne. Das perfekte Anschauungsobjekt für dieses Projekt brauchen die Transportbotschafter nicht lange zu suchen: Der Dienstwagen von Jens Thiermann steht jederzeit zum Einsatz bereit.
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