Warum die Angst vor Robotern?

Lesezeit: ca. 8 Minuten
Text: Juliane Gringer
Fotos: adobestock-ra2-studio, Paul Kranzler, BPW

PODCAST

Im Podcast berichtet Roboterpsychologin Prof. Martina Mara, wie Mensch und Maschine gut zusammenarbeiten können.

Martina Mara ist Professorin für Roboterpsychologie am Linz Institute of Technology (LIT) der Johannes Kepler Universität Linz. Sie erforscht, wie Roboter und Mensch gut miteinander arbeiten, und worauf es ankommt, damit wir uns vor den Maschinen nicht fürchten. Wie können beispielswiese autonome Fahrzeuge unser Vertrauen gewinnen?

Frau Prof. Mara, Sie sind Roboterpsychologin. Was genau bedeutet das?

Martina Mara: Bei mir am Lehrstuhl sitzen keine humanoiden Roboter auf dem Therapie-Sofa, ganz im Gegenteil: Uns Roboterpsychologen geht es um das Wohlbefinden der Menschen im Umgang mit den Maschinen. Die Psychologie beschäftigt sich ja häufig mit dem Erleben und Wahrnehmen von Menschen, also damit, wie wir Menschen unsere Umwelt erleben, wie wir darauf reagieren und wie unsere Wahrnehmungen unser Verhalten beeinflussen. In der Roboterpsychologie beschäftigen wir uns mit der Frage, wie Menschen verschiedene Robotertypen wahrnehmen, wie wir uns ihnen gegenüber verhalten und wie sie sich uns gegenüber verhalten sollen. Wir erforschen, wie man künstliche Intelligenzen so gestalten kann, dass sie für unterschiedliche Zielgruppen angenehme Interaktionspartner sind, und wie wir uns durch intelligente Technologie beispielsweise nicht dominiert fühlen oder davor ängstigen.

Wie fühlen wir uns im Umgang mit Robotern?
Ganz grundsätzlich kann man sagen, dass es gegenüber der Robotik und der künstlichen Intelligenz im breiten Publikum viel Skepsis gibt. Der Mensch empfängt Roboter nicht mit ganz offenen Armen in Alltag und Berufsleben. Es gibt neue Langzeiterhebungen, die zeigen, dass die Skepsis der Europäerinnen und Europäer gegenüber Robotik und künstlicher Intelligenz in den vergangenen Jahren sogar noch zugenommen hat. Man hat oft Angst vor Dingen, die man nicht versteht, und viele Menschen fühlen sich überfordert von der Vielzahl an neuen Technologien. Deshalb ist es ganz wichtig, dass die Themenbereiche Robotik und KI demystifiziert werden. Gerade im Arbeitsumfeld sollte für die Mitarbeiter auch immer klar sein, warum ein Roboter eingesetzt wird, was er grundlegend kann oder auch nicht kann.
Wie kann man der Skepsis technisch begegnen?
Indem man zum Beispiel die visuelle Gestaltung von Robotern gut durchdenkt. Wir tun uns leichter mit Maschinen, die klar als Maschine kategorisierbar bleiben, also uns als Menschen nicht zu sehr kopieren oder uns scheinbar ersetzen. Hochgradig menschenähnliche Roboter – etwa mit Silikonhaut, echtem Haar und programmiertem Wimpernaufschlag – wirken auf ganz viele Menschen furchterregend. Das dürfte damit zu tun haben, dass wir diese Hybrid-Wesen aus Mensch und Maschine ganz schwer kategorisieren können: Ist es eher ein Computer oder ein menschliches, soziales Gegenüber? Um diese Unsicherheit zu vermeiden, ist unsere Empfehlung aus wissenschaftlicher Sicht, Roboter immer klar als Maschinen zu gestalten.
Aber wird es nicht bald Roboter geben, die wirklich wie Menschen fühlen und denken können?
Der technische Status quo ist längst nicht so weit, wie das viele Menschen aufgrund der medialen Berichterstattung und Science-Fiction annehmen. Und es gibt momentan überhaupt keinen technischen Hinweis oder gar einen Prototyp, der darauf schließen ließe, dass so etwas wie menschengleiche künstliche Intelligenz, Bewusstsein oder emotionale Empfindsamkeit in Maschinen überhaupt irgendwann herstellbar wären. Ich denke auch nicht, dass menschenähnliche Maschinen in den nächsten Jahren relevant sein werden, sondern viel stärker andere Typen wie Sprachassistenzsysteme, mobile Roboter oder autonome Fahrzeuge.

»Der Mensch mit seinem komplexen Wesen soll nicht ersetzt werden, sondern die Stärken der Maschinen sollen ihn unterstützen.«

Martina Mara, Professorin für Roboterpsychologie am Linz Institute of Technology (LIT) der Johannes Kepler Universität Linz

Wenn Roboter in der Industrie eingesetzt werden, was ist dann aus Ihrer Perspektive wichtig für die Mitarbeiter, die mit ihnen interagieren?

Der Erhalt der menschlichen Autonomie, subjektives Sicherheitsgefühl undVertrauen in den Roboter als Teamkollegen. Wenn ich mit einem Roboter zusammenarbeite, muss ich einschätzen können, was er als Nächstes tun wird. Ich muss lesen können, wohin er sich bewegt, wo er stoppt, ob er mich gesehen hat und für mich bremsen wird. Auch der Roboter muss analysieren können: Was hat der Mensch vor? Dafür werden ausgeklügelte Sensorsysteme und Systeme maschinellen Lernens eingesetzt.

Im Rahmen unseres Forschungsprojekts „CoBot Studio“ bauen wir derzeit Extended-Reality-Umgebungen auf, in denen wir Virtual Reality mit Robotern sowie physischen Objekten zusammenbringen und damit zukünftige Arbeitsumgebungen, in denen Menschen ganz eng mit Robotern arbeiten, simulieren. Dort testen wir, wie ein Roboter in bestimmten Situationen mit verschiedenen Menschen kommunizieren und welche Signale er wann senden muss, um möglichst gut lesbar und vorhersehbar zu sein. In diesen Simulationsumgebungen untersuchen wir dann auch den Zusammenhang zwischen der Verständlichkeit des Roboters und dem tatsächlichen Einfluss auf das subjektive Sicherheitsempfinden und Wohlbefinden der Menschen. Und natürlich auch auf den Kollaborationserfolg: Trägt es tatsächlich dazu bei, dass ich mit einem Roboter effizienter zusammenarbeite, wenn ich ihn in dem, was er kann, gut verstehe?

Viele Menschen haben Angst, am Arbeitsplatz bald durch Roboter ersetzt zu werden. Wie schätzen Sie das ein?

Ich denke, in vielen Fällen, die da medial geschildert werden, ist es gar nicht so einfach möglich, dass wir Menschen wirklich komplett ersetzbar werden. Wir sollten unsere kognitiven, motorischen und sozialen Fähigkeiten nicht unterschätzen. Wenn ich etwa an die Fingerfertigkeit von uns Menschen denke, die so stark ausgefeilt ist: Weil wir das in der Kindheit früh gelernt haben, wissen wir ganz automatisch, wie fest man gewisse Materialien anfassen darf, welcher Fingerdruck erforderlich ist, um ein Trinkglas zu halten oder einen Becher aus Kunststoff oder Styropor. Das muss man Robotern alles sehr mühsam beibringen. Um gegen Ängste vor diesen neuen Technologien anzuarbeiten und positive Zukunftsbilder zu entwickeln, wäre es ganz wichtig, dass wir zeigen, wie sich Mensch und Maschine ergänzen können.

Der Mensch mit seinem komplexen Wesen soll nicht ersetzt werden, sondern die Stärken der Maschinen sollen ihn unterstützen. Solche synergetischen Bilder von Mensch und Maschine sehen wir gar nicht so oft. Medial wird uns meistens vermittelt, dass es fast magisch leistungsfähige, manchmal auch sehr menschenähnliche Maschinen sind, die sehr stark den Eindruck erwecken, dass sie uns ersetzen können und sollen. Aber ein Arzt wird beispielsweise sicher nicht vollkommen durch einen KI-Algorithmus ersetzt – das ist aus verschiedensten Gründen völlig absurd. Trotzdem haben wir Angst davor. Wir sollten deshalb eher zeigen, was realistisch ist: dass die Ärzte zum Beispiel einen Algorithmus, ein KI-System, als unterstützendes Werkzeug für Entscheidungen nutzen können. Kombiniert mit dem menschlichen Erfahrungsschatz und der Kommunikationsfähigkeit macht das gute Ergebnisse möglich.

Wie sieht es mit autonomen Fahrzeugen aus, wie gut werden die von der Bevölkerung akzeptiert?
Bisher werden sie mit besonders viel Skepsis betrachtet. Wenn man die Studienergebnisse dazu liest, bekommt man den Eindruck, die Fahrzeughersteller können ihre Roboterautos eigentlich gleich in der Garage stehen lassen. Um die Akzeptanz zu erhöhen, sollte die Branche die Vorteile klarer kommunizieren. Das kann höherer Komfort im Individualverkehr sein oder beispielsweise höhere Effizienz bei Nutzfahrzeugen. Experten gehen auch davon aus, dass im Mittel die Unfallgefahr durch autonome Mobilität sinken wird. Wenn es um psychologische Faktoren im Umgang mit autonomen Fahrzeugen geht, ist wieder das Verständnis für die Technologie oder eine gute Kommunikation zwischen Menschen und diesen intelligenten Autos wichtig.
Wie kann die aussehen?
Ich habe in der Vergangenheit viel mit der Fahrzeugindustrie im Bereich autonome Mobilität und Interaktionsdesign zusammengearbeitet und saß öfter in autonomen Fahrzeugprototypen. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen: Wenn man in ein Gespräch vertieft ist und das Auto plötzlich einen Spurwechsel macht, kann das einem einen ganz schönen Schreck einjagen. So wird inzwischen auch daran geforscht, wie man diese Vorhersehbarkeit von Handlungen und Aktionen eines autonomen Fahrzeugs steigern kann. Und da muss man nicht nur an alarmistische Blink- und Hup-Systeme denken, sondern an simple Signale, die uns das Auto geben kann, etwa ein sensorisches Zeichen wie ein Druck in eine bestimmte Richtung, den der Sitz an den Rücken abgibt. Fußgängern könnte es helfen, wenn ein autonomes Fahrzeug ihnen per Lichtsignal zeigt, dass es sie wahrgenommen hat und bremsen wird. Das Auto könnte auch einen Zebrastreifen auf die Straße projizieren. Es geht einfach, wie so oft, um die Herstellung einer guten Kommunikation zwischen Mensch und Maschine – Verständnis und gute Kommunikation erleichtern vieles und nehmen uns Ängste.

Trainingscenter für Robotik

Wie arbeitet man mit Robotern sicher zusammen? Das lernen Auszubildende bei BPW Bergische Achsen bei den „Start-up Days Robotik“: Mit einem eigenen Trainingscenter für Robotik können Auszubildende, Mitarbeiter und Studierende unter produktionsnahen Bedingungen lernen, wie sie hochmoderne Roboter bedienen, instand halten und programmieren. Zwei 6-Achsen-Roboter der Firma Kuka wurden im Ausbildungszentrum speziell dafür installiert. Zehn Tage dauert so ein Kurs; die ersten beiden sind im Frühjahr 2019 für Auszubildende im Fachbereich Elektronik und Mechatronik gestartet. 2020 sollen auch künftige Industriemechaniker teilnehmen.

„Die Zusammenarbeit mit Robotern schafft auf einem höheren Level mehr Aufgaben, und diese Aufgaben sind komplexer“, erklärt Felix Rudat, Ausbilder für Elektronik und Mechatronik bei BPW. „Deshalb sollte man sich unserer Meinung nach schon in der Ausbildung früh damit beschäftigen. Wir wollten mit unseren Schulungen vor allem Hemmungen nehmen, zeigen, wie man mit so einem Gerät umgeht und wie man es auch manuell bedient.“ In der mechanischen Fertigung und bei der Bearbeitung von Bauteilen werden bei BPW immer mehr Robotik-Systeme eingesetzt, zum Beispiel beim Schweißen, beim Handling von Paletten und Werkstücken oder bei der Nachbearbeitung von zerspanten Teilen. „Dabei löst der Roboter häufig nicht nur eine Aufgabe, sondern in der Regel sind es Multigreifer, die mehrere und auch komplexe Aufgaben lösen. Sie nehmen zum Beispiel nicht mehr nur ein Teil, etwa einen Bremssattel, sondern mehrere Teile auf und verteilen sie“, so Rudat.

Auszubildende bei BPW wie Niklas Thomas lernen mit den Start-up Days Robotik, wie sie sicher mit Robotern zusammenarbeiten können.

Niklas Thomas, der bei BPW zum Mechatroniker ausgebildet wird, hat an den Start-up Days Robotik teilgenommen. Sein Fazit ist positiv: „Mir hat besonders gut gefallen, dass wir in der Schulung sofort direkt am Roboter standen und viel selbst ausprobiert haben. Dabei habe ich ein gutes Bewusstsein für die Maschine bekommen. Die rotatorischen Achsen eines Roboters muss man einfach fühlen, um sie zu verstehen.“ Ein wichtiges Lernziel des Workshops war auch, Aufmerksamkeit für Sicherheit und Gesundheitsschutz rund um die Arbeit mit dem Roboter zu schaffen: „Wir haben gemeinsam zusammengetragen, welche Gefahren von so einem System ausgehen können, und eine Betriebsanweisung geschrieben, die erklärt, was zu beachten ist, wenn wir mit und neben Robotern arbeiten“, so Thomas. Dazu gehören beispielsweise die Sicherung von Daten und ein Gespür dafür, wo die eigenen Grenzen im Umgang mit den Geräten sind – und wann man sich Unterstützung holen sollte.

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