Recycelte Kunststoffe im Fahrzeugbau: leichter, nachhaltig und genauso stabil

Lesezeit: ca. 3 Minuten
Text: Juliane Gringer
Fotos: HBN-Teknik

Um Ressourcen zu schonen, setzt man zunehmend auch im Fahrzeugbau recycelte Werkstoffe ein: Das BPW Tochterunternehmen HBN-Teknik aus Dänemark ist hier Vorreiter. Im Interview berichtet CEO Oscar William Gunner, woran seine Teams arbeiten.

Herr Gunner, ist Kunststoff noch ein zeitgemäßes Material?
Wenn er bewusst hergestellt und verwertet wird, auf jeden Fall. Ich denke, dass es hier viele Missverständnisse gibt. Wenn ich im Supermarkt Lebensmittel in einer Tüte kaufe, in der viel recycelter Kunststoff steckt, gemischt mit sogenanntem Bio-Plastik, geht das leider auf Kosten der nächsten Wiederverwertung: Weil Rohstoffe vermischt wurden, kann man sie nicht mehr in ihre Einzelteile zerlegen. Man hat also quasi mit besten Absichten den Kunststoff zerstört. Reines, biologisch abbaubares oder recyceltes Material wäre hier die bessere Wahl. Und wenn man die Bilder von Plastik in den Ozeanen sieht, zeigen die meiner Meinung nach nicht, dass das Material schlecht ist – sondern dass die Menschen nicht richtig damit umgehen. Kunststoffe sind grundsätzlich recht einfach herzustellen, sparen Kosten und reduzieren das Gewicht. Wenn wir sie für Nutzfahrzeuge einsetzen, können wir mehr zuladen und haben eine bessere Klimabilanz. Gleichzeitig muss man immer sehen, wo der Einsatz sinnvoll ist: Theoretisch könnten wir vielleicht eine komplette Achse aus Kunststoff bauen, aber es ist schon gut und richtig, dass sie vor allem aus Stahl besteht.
Als einer der weltweit führenden Entwickler und Hersteller von Verbundwerkstofflösungen für die Automobilindustrie hat HBN-Teknik eine Vorreiterrolle in der Branche. An welchen Lösungen arbeiten Sie derzeit?

Wir beschäftigen uns schon länger damit, Trailer-Komponenten, die traditionell aus Stahl hergestellt werden, aus Kunststoffen zu konstruieren, und haben beispielsweise die Kolben des Balgs der BPW Luftfederung aus Polyamid entwickelt. Wir arbeiten daran, weitere Produkte leichter zu machen, und stellen Materialien von Neuware auf recycelte Stoffe um. Ich sehe noch sehr viel mehr Potenzial für recycelte Materialien wie bei unseren GREENFLEX®-Kotflügeln, die aus hochwertigem recyceltem Polypropolen hergestellt werden: Sie sind dank dieser Mischung besonders stoß- und schlagfest. Wir haben ein Projekt, bei dem wir Polyamid recyceln. Und wir führen Entwicklungsprojekte durch, bei denen wir unter anderem prüfen, ob es möglich wäre, weitere Bauteile aus alternativen Materialien zu konstruieren

Wie finden Sie neue Materialien?
Wir arbeiten mit sehr guten Partnern zusammen, mit denen wir für konkrete Anwendungen Werkstoffe auswählen, oder sie entwickeln passende Materialien für uns. Für die Zukunft sehe ich eine wachsende Herausforderung auf dem Markt: die Verfügbarkeit. Die Nachfrage nach recyceltem Material steigt so schnell, dass das Angebot nicht immer ausreicht, und in Zukunft könnte das noch enger werden.
Wie wird recycelt? Und gibt es hier neue Ansätze?
Die klassische Methode ist, dass man Teile aus Fahrzeugen sammelt, die nicht mehr gebraucht werden, sie zerkleinert und aus diesem Granulat wieder ähnliche Stücke macht. Eine recht neue Alternative ist chemisches Recycling, wie es das norwegische Unternehmen Quantafuel erprobt: Kunststoffabfälle, die nicht weiter recycelt werden können, also eigentlich auf der Deponie landen oder verbrannt würden, werden über Pyrolyse in Öl zurückverwandelt. Dieses Verfahren ist aber noch nicht weit verbreitet.
Wie nehmen die Kunden solche neuen Themen an?
Man muss sagen, dass sie noch nicht ganz offen dafür sind. In der Automobilbranche ist ein gewisser Recycling-Anteil bereits üblich, die Nutzfahrzeugbranche nehme ich noch als eher konservativ wahr. Wir wissen natürlich: Veränderung kostet Kraft – sie ist immer anstrengend. Teilweise muss man die Validierungsprozesse für Produkte neu durchlaufen, wenn man andere Bauteile verwendet. Wir motivieren dennoch dazu, mehr regenerative Quellen zu nutzen, denn sie sind nicht nur umweltfreundlicher, sondern man kann damit auch Geld sparen. Einer unserer Lieferanten bietet einen Rechner an, über den man zum Beispiel sieht, dass der Austausch eines drei Kilogramm schweren Konstruktionsteils durch einen Ersatz aus recycelten Kunststoffen die Klimaauswirkungen des Produkts signifikant reduzieren. Das sind Zahlen, die überzeugen – diese Transparenz gibt es aber bisher häufig nicht. Sie muss dringend geschaffen werden.
Der Druck in puncto Umweltschutz wächst. Wie können Unternehmen Ihrer Meinung nach damit umgehen?
Wenn wir hinterfragen, wie und warum Dinge gemacht werden, lautet die Antwort auf das Warum häufig noch: weil es schon immer so war. Diese Barriere müssen wir durchbrechen. Das ist sogar überlebenswichtig für Unternehmen, weil sie sonst den Anschluss verlieren werden. Wir müssen schließlich mit immer neuen gesetzlichen Regelungen rechnen, die sehr kurzfristig umgesetzt werden müssen. Wenn mich einer meiner Kunden morgen anruft und sagt: „Bitte nutzt ab jetzt nur noch recycelte Materialien!“, sollte ich darauf vorbereitet sein. Im Moment mag sich auf dem Markt viel um den Preis drehen, aber Nachhaltigkeit im Fahrzeugbau bleibt eins der wichtigsten Themen.
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