Die Rekuperationsachse der Zukunft

Lesezeit: ca. 3 Minuten
Text: Juliane Gringer
Fotos: iStock, BPW, REFU Drive

In dem Forschungsprojekt „RekuTrAx“ arbeitet BPW an einem Rekuperations-Achsmodul von morgen mit, das CO₂-Einsparung und nachhaltigen Transport fördert: Universitäten und Industriepartner entwerfen gemeinsam eine Zukunftsversion des elektrischen Achsmoduls ePower.

BPW ePower gewinnt als Rekuperations-Achsmodul während der Fahrt und beim Bremsen des Trailers Energie und kann damit Kühlaggregate von temperaturgeführten Transporten emissionsfrei und leise mit Strom versorgen. Es macht den Lkw-Trailer unabhängig von der Zugmaschine rekuperationsfähig und fördert damit nachhaltigen Transport. In einem Forschungsprojekt gemeinsam mit Universitäten und einem weiteren Industrieunternehmen soll die Technologie nun konsequent weiterentwickelt werden. Laut Dr. Armin Schmiegel, Senior Vice President R&D der REFU Drive GmbH, wird die elektrisch angetriebene Achse dazu komplett überarbeitet: „Wir gehen der Frage nach, wie Rekuperationsachsen in fünf bis zehn Jahren aussehen sollten, und glauben an eine konsequente Reduzierung der Zahl der Bauteile. So könnten beispielsweise Wechselrichter auch die Aufgaben von Getriebe und Sensoren übernehmen.“

»Wir gehen der Frage nach, wie Rekuperationsachsen in fünf bis zehn Jahren aussehen sollten, und glauben an eine konsequente Reduzierung der Zahl der Bauteile.«

Dr. Armin U. Schmiegel, Senior Vice President R&D der REFU Drive GmbH

Neue Nutzungsmöglichkeiten denkbar

Die Achsrekuperation wird also neu gedacht – mit Technologien, die es vielleicht heute noch gar nicht gibt. „Wenn man diesem Gedankengang folgt, ergeben sich einige interessante Fragen, die wir jetzt schon beantworten wollen“, so Armin Schmiegel. „Dazu gehören Überlegungen, wie der jetzige Motor kompakter werden kann – bei gleicher Leistung. Und: Kann der Doppelwechselrichter, den wir derzeit verwenden, auf die Größe einer Milchtüte schrumpfen und dann in die Achse integriert werden?“ In der aktuellen Entwicklungsphase untersuchen die Teams, welche Technologien, Schaltungen und Halbleiter all das möglich machen könnten.

Weiterhin steht die Frage im Raum, wie die äußeren Sensoren verzichtbar werden könnten. „Wenn ich beispielsweise den Dreh-Sensor entfernen will, wie kann dann erfasst werden, ob sich das Rad dreht? Es gibt bereits Verfahren, aber bisher nicht für die Motoren, die für den Einsatz optimal wären“, so Schmiegel. „Eine Möglichkeit ist, dass der Wechselrichter das übernimmt und zum Sensor wird.“ Für die Zukunft sind auch weitere Nutzungsmöglichkeiten denkbar: Heute kann die Rekuperationsachse zur Versorgung von Kühltrailern eingesetzt werden – vielleicht bald genauso für den Antrieb der Zugmaschine oder weiterer Nebenaggregate?

Ziel: ein Demonstrator für die voll integrierte, intelligente Rekuperationsachse

Das Projekt trägt den Namen „RekuTrAx“ – als Abkürzung für „Rekuperations-Trägerachse“. Es wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) gefördert. Als Projektträger unterstützt Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt das Projekt. Vier Partner setzen es gemeinsam um: Neben BPW sind das die REFU Drive GmbH, Anbieter von Antriebs- und Hilfsantriebsumrichter  und Energiespeichersystemen für Antriebstechnik, das Institut für Mechatronische Systeme der Leibniz-Universität Hannover und das Karlsruher Institut für Technologie. Ziel ist es, einen Demonstrator für eine voll integrierte, intelligente Rekuperationsachse zu entwickeln – und nachzuweisen, dass sie den CO2-Ausstoß von Nutzfahrzeugflotten reduzieren kann. Letzteres wird nicht durch einen Prototyp für Fahrversuche, sondern durch Modelle und Simulationen realisiert, die – kombiniert mit Komponenten- und Systemmessungen – zeigen sollen, wie viel CO2 sich einsparen lässt.

»Während der Forschungsbereich sich gerne mehr Zeit nimmt, um Fragen so tief wie möglich zu bearbeiten, hat die Industrie auch die wirtschaftlichen Aspekte verstärkt im Blick. Ich finde, hier ergibt das eine perfekte Synergie.«

Katharina Kermelk, Product Manager Digital Products bei BPW

Perfekte Synergie zwischen Forschung und Industrie

„Dass in dem Projekt mit Forschung und Industrie zwei Welten zusammenkommen, ist spannend“, meint Katharina Kermelk, Product Manager Digital Products bei BPW. „Während der Forschungsbereich sich gerne mehr Zeit nimmt, um Fragestellungen so tief wie möglich zu bearbeiten, hat die Industrie auch die wirtschaftlichen Aspekte verstärkt im Blick. Ich finde, hier ergibt das eine perfekte Synergie.“ Die universitären Kolleginnen und Kollegen hätten viele neue Impulse mitgebracht: „Wir setzen hier zum Beispiel eine ganz andere Art von Motor ein, der wesentlich kompakter ist und den wir jetzt für diesen industriellen Anwendungsfall umfunktionieren wollen.“ Und auch die Forschenden werden mit komplett neuen Fragen konfrontiert: „Einen neuen Wechselrichter zu entwickeln bedeutet auch aufseiten der Universität, Neuland zu betreten“, so Armin Schmiegel. „Aber bereits bei den ersten Gesprächen war da alles andere als Ratlosigkeit zu spüren, sondern interessierte Neugier. Ich bin überrascht, wie schnell sich die Kolleginnen und Kollegen eingefunden haben, und freue mich auf  gute Ergebnisse.“ Die industriellen Partner könnten dann ihre Stärken ausspielen und den Weg vom Muster über den Prototyp zum Produkt unterstützen. „Die Kunst besteht also im Moment darin, die Freiheit der Forschung zu nutzen und gleichzeitig den Lösungsraum so einzugrenzen, dass wir ein konkretes Produkt als Ziel im Auge behalten.“

Use Cases mit KI geprüft

Das Förderprojekt ist Mitte 2022 gestartet und läuft bis Ende 2025. In der ersten Phase wurden Marktanforderungen und Use Cases betrachtet – auch solche, „die über den klassischen Kühlmaschinen-Betrieb hinausgehen“, berichtet Kermelk. „Wir haben verschiedene Konzepte aufgeschrieben, wie die Achse in Zukunft aussehen könnte, und diese im gesamten Team bewertet. Gemeinsam haben wir uns für drei wesentliche Konzepte entschieden, mit denen wir uns jetzt tiefgreifend beschäftigen.“ Bei der Auswertung der Use Cases kamen KI-Methoden und umfangreiche Simulationen des Karlsruher Instituts für Technologie zum Einsatz. „Dieses Vorgehen hat sehr interessante Ergebnisse hervorgebracht und uns ein Gefühl dafür gegeben, in welche Richtung diese Achse sich entwickeln und welche Leistung sie haben wird“, so Schmiegel. „Jetzt besteht die Aufgabe darin, dieses Produkt zu realisieren.“ Wie genau die neue Achse am Ende aussehen wird, sei völlig offen, sagt Katharina Kermelk: „Ob sie sich optisch verändert, das können wir heute noch nicht sagen. Aber sie wird noch kompakter sein und neue technische Lösungen enthalten.“ Was sie zudem auf jeden Fall auch leisten kann: Sie kann Nutzfahrzeuge leiser, emissionsfrei und energieeffizienter machen – und gestaltet damit die Energiewende und eine grüne Mobilität der Zukunft mit.

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