„Die Branche hat eine Herkulesaufgabe zu bewältigen“

Lesezeit: ca. 4 Minuten
Text: Juliane Gringer
Fotos: BPW, AdobeStock – luckybusiness – DVZ

Damit die Logistik ihren Beitrag zum Klimaschutz leisten kann, braucht sie neue Antriebskonzepte im Straßengüterverkehr. Die Forderung an die Politik: Sie soll für Klarheit in der Förderkulisse sorgen! Darüber diskutierten Vertreter aus Politik und Mittelstand bei der Online-Konferenz „Politik trifft Logistik“.

Markus Schell, persönlich haftender geschäftsführender Gesellschafter der BPW Bergische Achsen KG:

»Die Zeiten, in denen irgendetwas verbrannt werden muss – ob nun Diesel, Gas oder andere Stoffe –, sind schon lange vorbei.«

Dr. Hendrik Haßheider, Regierungsdirektor im Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur:

»Wir haben uns entschieden, mehrere Technologien zu berücksichtigen, die weiteren Entwicklungen zu beobachten und dann auch die zugehörigen Infrastrukturen entsprechend zu fördern.«

Matthias Strehl, CEO der Ludwig Meyer GmbH & Co. KG:

»Als Spediteure engagieren wir uns für mehr Nachhaltigkeit, weil wir eine Verantwortung gegenüber der Umwelt und der Gesellschaft haben.«

Mathias Stein, MdB, SPD, Mitglied im Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur:

»Die Flotten müssen in den nächsten Jahren zügig klimaneutral gestaltet werden, und dazu sollten alle Technologien genutzt werden.«

Bis zu 80 Prozent der Mehrkosten für klimafreundliche Fahrzeuge will das Bundesverkehrsministerium in Zukunft fördern, um das Klimaschutzprogramm der Regierung umzusetzen – unabhängig von der Tonnage und der eingesetzten Technologie. „Das ist eine starke Ansage“, unterstrich Matthias Strehl, Geschäftsführer von Meyer Logistik, bei der Konferenz „Politik trifft Logistik“ im November 2020. Das von der DVZ Deutsche Verkehrs-Zeitung etablierte Format bringt regelmäßig Vertreter der Transportbranche mit politischen Entscheidern ins Gespräch – diesmal Corona-bedingt bei einem digitalen Meeting. Die Diskutanten unterstrichen, dass die Logistik eine tragfähige Förderkulisse benötigt, um neue Antriebskonzepte im Straßengüterverkehr zu realisieren. Über das Thema hatten die Teilnehmer des von der BPW Gruppe ausgerichteten Branchentreffens Wiehler Forum vorab abgestimmt.

Auch Markus Schell, persönlich haftender geschäftsführender Gesellschafter von BPW Bergische Achsen, begrüßte das klare Förderbekenntnis der Regierung: „Diese Zusage hilft, emissionsfreie Fahrzeuge schneller und in größeren Stückzahlen auf die Straße zu bringen.“ BPW bietet nicht nur mit der elektrisch angetriebenen Achse eTransport ein bewährtes Konzept für innerstädtischen emissionsfreien Transport. 2021 will das Unternehmen gemeinsam mit renommierten Industriepartnern auch einen eigenen elektrischen 7,5-Tonner auf den Markt bringen – der dann ebenfalls förderfähig sein wird.

Klimaschutz ist Herkulesaufgabe

Mathias Stein, MdB, SPD, Mitglied im Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur, sieht das Ziel, bis 2030 rund 35 Prozent der CO2-Emissionen von Lkw einzusparen, als immense Herausforderung für Transport und Logistik: „Hier hat die Branche eine Herkulesaufgabe zu bewältigen. Die Flotten müssen in den nächsten Jahren zügig klimaneutral gestaltet werden, und dazu sollten alle Technologien genutzt werden.“ Stein wünscht sich vor allem auch einen stärkeren Einsatz digitaler Lösungen, mit denen sich Transporte effizienter gestalten und beispielsweise Leerfahrten vermeiden lassen. Zudem fordert er eine stärkere Förderung der Technologieentwicklung.

Laut Dr. Hendrik Haßheider, Regierungsdirektor im Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur und dort zuständig für alternative Kraftstoffe und Antriebe, setzt sich die Regierung dafür ein, gemeinsam mit den zuständigen Gremien der Europäischen Union die Maßnahmen zu intensivieren – davon solle auch die mittelständische Zulieferindustrie profitieren. Das unterstützt auch Markus Schell: „Gekauft werden kann nur, was schon entwickelt ist.“ Das Technologiepotenzial des deutschen Mittelstandes wird seiner Ansicht nach bisher zu wenig fokussiert: „Der Mittelstand hat viele Technologien, die direkt auf die Straße kommen könnten, aber es fehlt einfach die Hülle.“

Nicht diskutieren – probieren!

Auch Unternehmer Matthias Strehl sieht die Verantwortung bei den OEMs: „Es gibt derzeit leider zu wenig Serienreifes vorzuzeigen. Es wird zu lange diskutiert, statt Dinge auszuprobieren und sozusagen am lebenden Objekt weiterzuentwickeln. Damit hätte man schon vor Jahren beginnen können. Stattdessen wartet man auf Prototypen, deren Erprobung dann aber noch viel Zeit braucht.“ Die Politik gibt seiner Meinung nach gute Impulse vor: „Als Spediteure sind wir auf jeden Fall gewillt, die Fahrzeuge zu testen und zu kaufen. Wir engagieren uns heute für mehr Nachhaltigkeit und werden das auch in Zukunft tun, weil wir eine Verantwortung gegenüber der Umwelt und der Gesellschaft haben.“

Mehrere Antriebskonzepte verfolgen

Laut Klimaschutzprogramm konzentriert sich die Regierung darauf, batterieelektrische Antriebskonzepte, Brennstoffzelltechnologie sowie den Oberleitungs-Lkw zu fördern. „Auch wir können nicht sagen, welche Technologie sich letztlich durchsetzen wird“, erklärte Haßheider. „Das ist auch nicht Aufgabe eines Ministeriums. Aber wir haben uns entschieden, mehrere Technologien zu berücksichtigen, die weiteren Entwicklungen zu beobachten und dann auch die zugehörigen Infrastrukturen entsprechend zu fördern.“ Laut Klimaschutzprogramm konzentriert sich die Regierung darauf, batterieelektrische Antriebskonzepte, Brennstoffzelltechnologie sowie den Oberleitungs-Lkw zu fördern. „Auch wir können nicht sagen, welche Technologie sich letztlich durchsetzen wird“, erklärte Haßheider. „Das ist auch nicht Aufgabe eines Ministeriums. Aber wir haben uns entschieden, mehrere Technologien zu berücksichtigen, die weiteren Entwicklungen zu beobachten und dann auch die zugehörigen Infrastrukturen entsprechend zu fördern.“ Branchenvertreter Matthias Strehl hält diesen Weg für richtig: „Es gibt nach wie vor keine klare Richtung für das zukünftige Antriebskonzept. Ich persönlich glaube auch daran, dass wir nicht eins, sondern mehrere Konzepte sehen werden.“ Auch Markus Schell von BPW hält es für sinnvoll, die Antriebstechnologien auf unterschiedliche Transportaufgaben abzustimmen. „Wobei wir natürlich aus Ingenieurssicht den Elektromotor favorisieren: Rein von der Effizienz und von der Bauweise ist er optimal. Ich glaube, die Zeiten, in denen irgendwas verbrannt werden muss – ob nun Diesel, Gas oder andere Stoffe –, sind schon lange vorbei.“

Trailer bietet riesiges Potenzial

Der Trailer kann einen großen Beitrag zum Klimaschutz leisten, indem er durch leichtere Materialien, Sensorik und damit die Vernetzung des gesamten Fahrzeugs den Energieverbrauch deutlich senkt. Schell erklärte in der Online-Konferenz: „Und man sollte auch weiterdenken, was noch möglich ist, denn im Trailer findet die Wertschöpfung des Transports statt – er bietet ein riesiges Potenzial.“ Haßheider räumte ein, dass der Fokus derzeit auf der Zugmaschine liegt, er sei aber offen für neue Ansätze aus der Trailerindustrie, die mehr Klimaschutz möglich machen. Davon gibt es laut Markus Schell viele. „Nur ein Beispiel: Bei der Warenverladung auf die Bahn könnte der Trailer Strom von den Oberleitungen aufnehmen und an die Trucks weitergeben. Dabei würde man die vorhandene Infrastruktur nutzen. Allein solche technologieübergreifenden Konzepte bergen noch viele weitere Ideen.“

„Politik trifft Logistik“ im O-Ton: Hier können Sie die Online-Konferenz auf YouTube als Aufzeichnung nacherleben.

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