Gemeinsame Verantwortung für den Klimaschutz

Lesezeit: ca. 8 Minuten
Text: Juliane Gringer
Fotos: AdobeStock – Romolo Tavani, Silke Reents, Hermann Willers, ICC – Uwe Dettmar

Der Güterverkehr hat einen großen Anteil am weltweiten CO2-Ausstoß. Das Treibhausgas gilt als stärkster Mitverursacher des Klimawandels. Welche Verantwortung haben die Unternehmen aus Transport und Logistik demnach beim Klimaschutz, und wie können sie ihr gerecht werden?

1,5 Grad Celsius – stärker soll die Erwärmung der Erde nicht ansteigen. Darauf haben sich 195 Länder im Dezember 2015 mit dem Pariser Klimaabkommen geeinigt. „Das bedeutet ganz konkret, dass es nur gewisse Restbudgets an CO2 gibt, die wir noch ausstoßen dürften, und diese Budgets werden spätestens im Jahr 2040 global erschöpft sein“, erklärt Volker Quaschning, Ingenieurwissenschaftler und Professor im Studiengang „Regenerative Energien“ an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin. „Jedes Unternehmen sollte hier Verantwortung übernehmen und dafür sorgen, dass es spätestens in 20 Jahren komplett klimaneutral ist, möglichst sogar noch früher.“ Denn es geht um nicht weniger als darum, die Zukunft der Erde zu retten: Eine stärkere Erderwärmung hätte drastische Folgen, unter anderem würden die Polkappen schmelzen und der Meeresspiegel steigen. Klimaforscher prognostizieren, dass die Anpassung an eine Erwärmung um mehr als vier Grad Celsius Natur und Mensch überfordern würde.

Emissionsfreie Fahrzeuge und spritsparendes Fahren

Verantwortung bedeutet, dass man sich verpflichtet, für die Folgen des eigenen Handels einzustehen. „Die Wirtschaft steht seit jeher in der Verantwortung, ihren Beitrag für ein friedliches Miteinander der Völker und zurzeit vorrangig für den globalen Klimaschutz zu leisten“, sagte Oliver Wieck, Generalsekretär der ICC Germany, 2019 auf dem Logistik-Branchentreff „Wiehler Forum“ . So sieht das auch Dr. Therese Kirsch, eine der Gründerinnen von „pfadwechsel“, einer Agentur für nachhaltigen Wandel, und Lehrbeauftragte für Nachhaltigkeitsmanagement an der Fachhochschule Münster: „Jeder Einzelne von uns übernimmt diese Pflicht schon allein in seiner Rolle als Bürger, Konsument und Nutzer von Dienstleistungen. Aber natürlich verursacht insbesondere die Wirtschaft einen großen Teil der Emissionen. Beim Klimaschutz wie auch in anderen Bereichen, die zum Thema Nachhaltigkeit gehören, werden wir deshalb immer die Wirtschaft brauchen. Unser Wirtschaftssystem ist nicht autark, sondern es gibt stets eine Verbindung zu unserem Gesellschaftssystem und zur Natur.“ Eine Spedition, die mit dem Transport von Waren Geld verdient, könnte demnach zum Beispiel die negativen Auswirkungen ihrer Transporte auf die Umwelt ausgleichen oder sie, wo immer möglich, von vornherein vermeiden – indem sie etwa auf möglichst emissionsfreie Fahrzeuge setzt, den elektrischen Fuhrpark mit Ökostrom betreibt, dafür sorgt, dass die Fahrer spritsparend unterwegs sind, oder Technologie wie Telematik einsetzt.

»Die Wirtschaft steht seit jeher in der Verantwortung, ihren Beitrag für ein friedliches Miteinander der Völker und zurzeit vorrangig für den globalen Klimaschutz zu leisten.«

Oliver Wieck, Generalsekretär der Internationalen Handelskammer in Deutschland

Der Schlüssel liegt auch im Trailer

Technologie macht bereits jetzt sehr viel möglich: „Die Klimaziele von Paris lassen sich durch moderne Transporttechnologien und Mobilitätsdienste erreichen“, ist Michael Pfeiffer, persönlich haftender geschäftsführender Gesellschafter von BPW Bergische Achsen, überzeugt. „In Bezug auf schwere Lkw liegt der Schlüssel aber nicht allein im Truck, sondern vor allem im Trailer. Durch Leichtbau und intelligente Trailerfahrwerke lassen sich Dieselverbrauch sowie Reifen- und Materialverschleiß drastisch senken. Die Vernetzung von Fahrer, Fracht und Fahrzeug durch Telematik-Systeme reduziert nachhaltig Leerfahrten und Umwege und optimiert Fahrweisen.“ Pfeiffer betont, dass in Transport und Logistik Klimaschutzmaßnahmen so gut wie immer auch eine Kostenersparnis bedeuten: Leichtere Fahrzeuge erlauben mehr Zuladung und reduzieren die Spritkosten, gut ausgelastete Lkw bringen mehr Umsatz. „In kaum einer Branche hängen Klima- und Kosteneffekte so untrennbar zusammen“, so der Experte. „Deshalb investieren wir konsequent in Lösungen für nachhaltige Transporteffizienz.“ Mit eTransport produziert BPW beispielsweise eine elektrisch angetriebene Achse.

Auch Volker Quaschning sieht beim Güterverkehr auf der Straße die Elektromobilität als Schlüsseltechnologie: „Wenn man das zu Ende denkt, sollte der Strom, der für die Mobilität zusätzlich benötigt wird, nur ebenfalls aus erneuerbaren Energien stammen.“

Vorreiter tragen die doppelte Last

Doch solange es keine gesetzlichen Regelungen gibt, die Klimaneutralität zur Pflicht machen, wird es immer Unternehmerinnen und Unternehmer geben, die Verantwortung übernehmen – und andere, die das nicht tun. Die Vorreiter tragen demnach die doppelte Last. Und jene, die weniger aktiv sind, entschuldigen das laut Quaschning oft damit, dass es doch andere gebe, die sich noch problematischer verhielten. „Nach dem Motto: Was hilft es, wenn ich meine Lkw-Flotte umstelle, während in China neue Kohlekraftwerke gebaut werden? Und ja, man ist vielleicht nur einer von 7,5 Milliarden Menschen oder eins von vielen Millionen Unternehmen, aber trotzdem trägt man einen Teil bei. Wenn wir überall so fahrlässig handeln würden wie beim Klimaschutz, dann würden sehr viele gesellschaftliche, menschliche Probleme aufpoppen, die unsere Gesellschaft komplett zerstören könnten.“

Einheitliche Regeln für die Branche gefragt

Auch die geringen Margen in Transport und Logistik dürften laut Quaschning keine Ausrede dafür sein, Klimaschutz nicht ernst zu nehmen: „Dafür ist das Thema zu wichtig für die globale Zukunft.“ Er hält es für den besten Weg, dass die Politik einheitliche Regeln für die komplette Branche vorgibt, damit es einen gemeinsamen und dann auch wirtschaftlich gerechten Pfad in Richtung Klimaneutralität gibt: „Wer diese Bedingungen dann nicht erfüllt, darf entweder nicht mehr tätig sein oder muss exorbitante Strafen zahlen.“ Der Forscher motiviert die Unternehmer, selbst dafür zu sorgen, dass solche Rahmenbedingungen umgesetzt werden: „Bislang hat hier häufig die Wirtschaft gebremst. Dabei sollten sich vielmehr die fortschrittlichen Unternehmen zusammentun und klare CO2-Grenzwerte für die gesamte Logistikbranche fordern. Denn das würde Fairness schaffen: Dann brauche ich auch keine Angst zu haben, dass irgendein polnischer Billiganbieter mich von der Straße drängt – denn seine Lkw müssen in dem Fall genauso klimaneutral sein, und er muss mit den gleichen Preisen kämpfen.“

»Die fortschrittlichen Unternehmen sollten gemeinsam klare CO2-Grenzwerte für die Logistikbranche fordern. Denn wenn alle Akteure die umsetzen müssen, schafft das auch wieder Fairness.«

Volker Quaschning, Ingenieurwissenschaftler und Professor im Studiengang »Regenerative Energie« an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin

Kein Engagement bedeutet wirtschaftliches Risiko

Quaschning zufolge kommt es vor allem auf schnelles und entschlossenes Handeln an, um den Klimazielen gerecht zu werden. „Für Unternehmen mag das schwieriger sein als für Privatpersonen, weil sie im wirtschaftlichen Wettbewerb stehen. Aber gleichzeitig kann es auch wirtschaftlich riskant werden, sich nicht mit dem Thema auseinanderzusetzen: Wenn zum Beispiel jemand seine Flotte jetzt noch komplett mit Diesel-Fahrzeugen modernisiert, stellt sich die Frage, ob das eine gute Investition ist oder ob es nicht schon vor dem Ende der Lebensdauer Schwierigkeiten bringt. Ganz abgesehen davon kann es sich immer lohnen, eine Vorreiterrolle einzunehmen, und das wird, wenn man es richtig anpackt und kommuniziert, oft auch belohnt.“

Er verweist auf Vorstöße der EU, nach denen der CO2-Fußabdruck von Produkten veröffentlicht werden könnte – und Produkte mit niedrigeren Werten würden möglicherweise geringer besteuert. „Bei der Berechnung dieses Fußabdrucks spielt die Logistik eine Rolle“, so Quaschning. „In der öffentlichen Wahrnehmung bekommt Klimaschutz gleichzeitig auch eine höhere Aufmerksamkeit – spätestens wenn wir auch wieder große Klimaereignisse haben. Logistikunternehmen, die dann für sich reklamieren können, dass sie in Sachen Umweltschutz erheblich besser sind als die Konkurrenz, hätten sicher einen Wettbewerbsvorteil.“ Das bestätigt auch Dr. Therese Kirsch: „Nicht zu handeln, ist nicht nur schlimm für die anderen – die Unternehmen werden es selbst auch spüren. Wenn sie dagegen selbst aktiv werden, ist das auch ein ganz wichtiger Schritt für sie, um sich zukunftsfähig und wettbewerbsfähig aufzustellen. Daher ist mein Appell immer: Es ist für jedes Unternehmen sinnvoll, sich frühzeitig mit der eigenen Verantwortung auseinanderzusetzen und zu versuchen, seinen Beitrag zu leisten.“

»Ich hoffe, dass immer mehr Akteure in der Wirtschaft auch das Innovationspotenzial sehen, das in der Verantwortung steckt.«

Dr. Therese Kirsch, Mitgründerin der Agentur „pfadwechsel“ und Lehrbeauftragte für Nachhaltigkeitsmanagement an der Fachhochschule Münster

Wichtig: Blick auf die gesamte Wertschöpfungskette

Unternehmen, die das umsetzen wollen, sollten sich zuerst ein klares Bild davon verschaffen, welche Auswirkungen die eigenen Geschäftstätigkeiten haben und wo diese von Veränderungen beim Klima, in der Natur und in der Gesellschaft betroffen sein könnten, empfiehlt die Expertin. Hinsichtlich Klimaschutz kann man zum Beispiel über das Greenhouse Gas Protocol nach internationalem Standard messen, welchen Beitrag man zum CO2-Ausstoß leistet. Das umfasst die direkten Emissionen, etwa durch dieselbetriebene Fahrzeuge, aber auch die vorgelagerten, wie durch den Strom, den ein Unternehmen nutzt, oder auch den Ausstoß von Lieferanten, Vorlieferanten und Kunden. „Dieser Blick auf die gesamte Wertschöpfungskette ist wichtig, aber auch sehr komplex. Deshalb schrecken viele Unternehmen davor zurück“, so Kirsch. „Hier muss man sich fragen, wie man Einfluss auf Lieferanten nehmen, die eigene Produktentwicklung anpassen oder sogar das Nutzungsverhalten der Kunden ändern kann.“ Man werde das alles nie komplett erfassen – aber eine Analyse könne durchaus zeigen, wo der größte Teil des Einflusses liegt. „Und dann kann man entscheiden, wo man an Stellschrauben dreht: bei den eigenen Emissionen, beim Stromverbrauch oder in der Wertschöpfungskette.“ Viele Maßnahmen könne man intern anstoßen, beispielsweise die Entscheidung, ob man Ökostrom nutzen will oder auf klimaschonendere Produktionsprozesse setzt. Finanzielle Unterstützung von außen, etwa in Form von Fördergeldern oder Subventionen, könne beschleunigend wirken.

Vorsprung durch nachhaltige Ideen und Produkte

Wenn Unternehmer Verantwortung übernehmen, tun sie das aus unterschiedlichen Motiven: Die einen handeln aus Überzeugung. Andere sehen in diesem Vorgehen Wettbewerbsvorteile oder die Möglichkeit, Risiken zu reduzieren, agieren also vor allem aus betriebswirtschaftlichen Erwägungen heraus. Und wieder andere reagieren auf regulatorischen Druck oder auf Forderungen ihrer Kunden. Kirsch sagt: „Ich hoffe, dass immer mehr Akteure in der Wirtschaft auch das Innovationspotenzial sehen, das in der Verantwortung steckt. Ich glaube, dass es für viele Unternehmen ein großer Schritt nach vorne sein wird, sich diesem Thema zu nähern: Mit guten Ideen und Produkten kann man sich hier einen echten Vorsprung sichern. Denn Nachhaltigkeit kann man nur erreichen, wenn man die richtigen Dienstleistungen und Produkte dafür am Markt hat.“ Nicht zuletzt würden Unternehmen, die verantwortungsvoll agieren, auch als Arbeitgeber attraktiver: „Wenn ich auf meine Studierenden schaue, dann wünschen sich die meisten von ihnen eine sinnhafte Tätigkeit bei Firmen, die nachhaltig agieren – und sie sind die Bewerber von morgen.“
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