„Wir sind bereit für jede Art der Diversifizierung“

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Text: Till Homrighausen
Fotos: Silvia Steinbach

Einblicke in eine gebeutelte Branche: Wie stark haben Rezession und Corona-Krise die Automobillogistik getroffen? Und was lässt auf Aufschwung hoffen? Wie man mit Flexibilität neue Wege einschlägt und damit Unternehmen und Mitarbeitern neue Dynamik verleiht, erzählt Bernd Janssen, Geschäftsführer bei Brucherseifer Transport + Logistik aus Wissen.

Es ist Juli, die Sonne scheint, und in Rheinland-Pfalz haben eben die Sommerferien begonnen, als Bernd Janssen im Gespräch mit motionist.com an das Jahr 2019 zurückdenkt. Er spricht ruhig und sachlich über eines der schwereren Jahre seiner Karriere. Als Automobillogistiker habe er „ordentlich Federn gelassen“. Das dürfte er mit dem Großteil seiner Wettbewerber in diesem Bereich gemein haben, wankte doch das Zugpferd der deutschen Wirtschaft, die Automobilbranche, beträchtlich. Der Geschäftsführer der Brucherseifer Transport + Logistik GmbH hätte sich beim Jahreswechsel vermutlich nicht träumen lassen, dass 2020 eine noch umfassendere Krise bereithielt.

Bittere Vollbremsung

Als Corona im Frühjahr mit aller Härte zuschlug, legte die Automobilindustrie eine Vollbremsung hin. Der Logistikdienstleister Brucherseifer, seit 1949 in Wissen im Westerwald beheimatet, bremste unsanft mit. „Als zur allgemeinen Rezession noch die Corona-Krise dazukam, war das wirklich nicht spaßig“, erinnert sich Janssen, der seit 21 Jahren zusammen mit seiner Frau und seinem Schwiegervater die Geschicke des Mittelständlers leitet. Bis zu 75 Prozent aller Umsätze machte das Unternehmen mit Transporten und Dienstleistungen für die Automobilbranche. Was nach vielen guten Jahren in den 2010ern zuletzt bereits ein hartes Pflaster gewesen war, führte nun vor eine Wand. Alles kam zum Erliegen. Bernd Janssen und seinen 160 Mitarbeitern ging es wie so vielen: Kurzarbeit für Teile der Belegschaft anmelden, Fahrzeuge abmelden oder veräußern – und Wunden lecken.

Auch Lagerflächen hat das Unternehmen im Portfolio. In Wissen sind es 20.000 Quadratmeter, von denen im Normalfall 90 Prozent von Automotive-Teilen belegt sind. Nun herrscht teils gespenstische Leere. „Im Juni ging es leicht aufwärts, jetzt verpassen uns teilweise wochenlange Werksferien unserer großen Kunden wieder eine Delle“, so Janssen. Prognosen sind schwierig in diesen Zeiten, der 54-Jährige schaut aber nach vorn: „Ich bin hoffnungsgetrieben. Wir sind dankbar für die staatlichen Hilfen, aber wir werden selbst wieder auf die Beine kommen.“

»Wir werden selbst wieder auf die Beine kommen.«

Bernd Janssen, Geschäftsführer der Brucherseifer Transport + Logistik GmbH

Diese Hoffnung kommt nicht von ungefähr: Brucherseifer zeigt sich nicht erst seit der Krise flexibel. Den zweitgrößten Umsatzanteil macht die Firma mit den prägnanten blau-gelben Fahrzeugen in der Baubranche. Bei Transporten für den Fertighausbau haben sich die Westerwälder einen Namen gemacht. Bernd Janssen freut sich insbesondere über die Weiterentwicklungen im Bereich der Statik: „Inzwischen haben Fertighäuser mehr als zwei Geschosse. Mehrfamilienhäuser, Büros oder Arztpraxen, der Objektbau bei den Fertighäusern nimmt immer mehr zu. Da sind es pro Immobilie schon mal bis zu 15 Fahrzeuggespanne, die die Einzelteile anliefern.“ Größtenteils werden hierfür Spezialtransporte benötigt. „Die Fertighaushersteller produzieren so viel und so groß wie möglich im Werk. Wände mit 11,50 Meter Länge oder 13-Meter-Dachbalken sind Standard“, so Janssen. Da die Teile nicht nur sehr lang, sondern auch breit und hoch sind, braucht man beim Transport viel Fingerspitzengefühl – und den richtigen Fuhrpark. Auf den Baustellen hätte es ein normaler Sattelzug schwer. Teleskop-Tieflader mit Zwangslenkung, Kranfahrzeuge, Drehschemelanhänger, sogar eine Sattelzugmaschine mit einem 3,60 Meter langen Pritschenaufbau – Schaustellermaß, wie Bernd Janssen es treffend bezeichnet – gehört zum Fuhrpark.

Eines der jüngsten Projekte war ein Transport mit enormer Breite. „Zunächst sollte das Bauteil diagonal transportiert werden. Wir wollten uns schon einen Schräglader bei der STL Logistik AG besorgen. Doch deren Vorstandsmitglied Jörg Reichmann empfahl uns in einem sehr kollegialen Telefonat, das 4,70-Meter-Teil liegend mit unserem neuen zwangsgelenkten Meusburger-Plateau-Auflieger selbst zu fahren“, erklärt Janssen. Mit mehr als zwei Meter Überbreite ging es für Brucherseifer erfolgreich über kurvige Eifelstrecken. Janssen mag neue Herausforderungen: „Die Komponenten werden ab Werk immer größer, darauf stellen wir uns nun ein.“

Vorreiter bei digitaler Unterstützung im Transportalltag

70 Zugmaschinen und 140 gezogene Auflieger zählt der Unternehmer zu seinem Fuhrpark. Flexibilität und Effizienz gehen beim Management der Fahrzeuge Hand in Hand – schließlich müsse man für seine Kunden auf den Punkt performen können, erzählt der Familienvater. „Dazu bin ich auf gute Partner angewiesen“, erklärt Janssen. „Das Produkt allein ist nicht das Wichtigste, der Service und die Menschen dahinter müssen mich überzeugen.“ Dazu zählt er auch den Kontakt zu BPW Bergische Achsen und freut sich, dass er dort fast alles aus einer Hand bekommt: „Wir setzen für unseren Fuhrpark auf zuverlässige Marken. Ich kann es mir nicht erlauben, irgendwo in Europa tagelang auf ein Ersatzteil warten zu müssen – wenn etwas am Trailer kaputtgeht, weiß ich, dass mir der nächste Ersatzteilhändler helfen kann, europaweit. Ob Achse, Runge oder Beleuchtung.“

Für seine Trailer spezifiziert Janssen fast alle Komponenten von der BPW Gruppe. Ralf Merkelbach, Leiter des Key Account Managements bei BPW, bestätigt die guten Verbindungen der beiden Unternehmen nur zu gerne. „Wir haben eine tolle Zusammenarbeit, dazu zählen immer zwei Seiten. Wir haben schon viele spannende Projekte gemeinsam durchgeführt“, beschreibt er das freundschaftliche Verhältnis zu den Wissenern. Janssen ergänzt: „Bei BPW gilt: Ein Mann – ein Wort. Darauf kann ich mich immer verlassen.“

Für seinen Fuhrpark setzt Bernd Janssen (links) auf zuverlässige Marken: Ob Achse, Runge oder Beleuchtung – alle Produkte sind von der BPW Gruppe. Ralf Merkelbach, Leiter Key Account Managements BPW, freut sich über die gute Zusammenarbeit der beiden Unternehmen.

Neue und innovative Produkte testen die Mitarbeiter von Brucherseifer immer gern. Die LED-Leuchten von Ermax sind extrem beliebt, versichert Bernd Janssen: „Die Fahrer finden sie nicht nur stylish, sondern sie halten auch in puncto Schlagfestigkeit, was sie versprechen.“

Das neueste Projekt ist ein Test mit der intelligenten Ladungssicherung iGurt. „Ladungssicherung ist ein so wichtiger Faktor“, mahnt Janssen, „da kann man sich keine Fehler erlauben. Wenn wir Stahlrohre fahren, müssen diese nach 15 und nach 30 Kilometern nachgezurrt werden. Mit dem iGurt sieht der Fahrer nun über die Bluetooth-Verbindung ins Fahrerhaus, wann die Vorspannkraft der Gurte nachlässt, und wird per App gewarnt.“

Generell zeigt er sich gerade bei digitalen Unterstützern im Transportalltag interessiert – und ist gerne Vorreiter: „Als wir Telematik in unseren Aufliegern verbaut haben, habe ich aus der Branche noch teils fragende Blicke bekommen. Wir ziehen im Werksverkehr für unsere Kunden manchmal 150 Trailerladungen täglich hin und her. Da braucht der Kunde absolute Transparenz, welche Ladung wann wo ist.“ Zudem gehe eine Zugmaschine selten von allein verloren, ein Trailer schon eher. „Telematik im Truck hilft im Zweifel mir selbst. Telematik im Trailer ist eine absolute Hilfe für meine Kunden!“ Jeden Morgen geht Janssens erster Blick am PC inzwischen ins Cargofleet-3-Portal der BPW Tochtergesellschaft idem telematics, um alle Standorte der Auflieger zu checken.

„Telematik im Truck hilft mir selbst, Telematik im Trailer hilft dem Kunden“, so Bernd Janssen im Gespräch mit motionist.com

Gelebte Flexibilität: vom Lager hinters Steuer

Seit Neuestem entdeckt Bernd Janssen seine Fahrzeuge auch in Oelde bei Rheda-Wiedenbrück: Eine weitere flexible Meisterleistung ermöglichte es Brucherseifer, beim Bau eines Amazon-Lagers mitzuwirken. Mit sichtbarem Stolz auf sein Team berichtet Geschäftsführer Janssen: „An einem Freitagabend um 22.11 Uhr bekam ich die Anfrage, ob wir am folgenden Tag für einen Systemausstatter zehn Auflieger nach Oelde bringen könnten – mehr Infos gab es nicht. Am nächsten Morgen um 6 Uhr habe ich unsere Fahrer der Nachtschicht im Werk begrüßt und sie gebeten, anstelle ihres Wochenendes zunächst eine weitere Tagesruhezeit anzutreten. Mithilfe von Angestellten aus der Disposition, aus dem Lager und unseren Fahrern standen Samstag alle gewünschten Auflieger vor Ort.“ Das Glück des Tüchtigen brachte dem Unternehmen gleich weitere Aufträge aus dem Amazon-Umfeld ein: Als Folgeauftrag durften einige Fahrer Auflieger von Oelde nach Italien bringen – ein Highlight für seine Angestellten. „Wer weiß“, sagt Bernd Janssen mit einem Grinsen, „vielleicht fahren wir ja bald Päckchen für Amazon. Kein Problem für uns, wir sind bereit für jede Art der Diversifizierung.“

Eine Lösung findet er sowieso fast immer – zum Wohle des Unternehmens und der Mitarbeiter. Als klar wurde, dass die Lagerhallen durch den Knick in der Automobilbranche zunächst nicht mehr ausgelastet werden können, setzte sich der Unternehmer direkt an seinen Schreibtisch. Mit der Agentur für Arbeit hat er nun einen Deal ausgehandelt: Lagermitarbeiter können, von der Agentur gefördert, ihren Lkw-Führerschein machen. „Wir sind auch hier flexibel herangegangen“, erklärt Janssen. „Der Fahrermangel wird perspektivisch nicht kleiner. Im Lager wird es vorerst schwierig, alle Stellen auszulasten. Das ist also eine Win-win-Situation.“ Flexibel aus der Krise – bei Brucherseifer scheint diese Strategie aufzugehen.

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