Wie viel Mensch braucht der Vertrieb?

Lesezeit ca. 3 Minuten
Text: Juliane Gringer
Fotos: Pamyra GmbH

Dienstleistungen, bei denen im Verkauf wenig Beratung und Betreuung gebraucht wird, kann man leicht online abwickeln. Lasse Landt, Geschäftsführer der Pamyra GmbH, glaubt, dass in Zukunft auch die meisten Transporte direkt von den Kunden mit ein paar Klicks online gebucht werden.

Privat bucht heute kaum noch jemand ein Hotelzimmer per Telefon. Wie sieht es mit Transporten aus: Wie digital ist der speditionelle Vertrieb?

Die Logistik im Bereich der Pakete (“KEP Bereich”) hat in den letzten Jahren extrem hohe Standards für die Transportbranche gesetzt. Dennoch gibt es bislang für größere Sendungen ab einer Europalette kaum die Möglichkeit, Transportdienstleistungen direkt online zu buchen. Dort kommt das erst jetzt als neuer Vertriebskanal dazu, und wir sehen, dass viele Speditionen Wege suchen, ihn zu nutzen. Neben den großen Speditionen, die oft mit großem Ressourcenaufwand eigene Portale entwickeln, gibt es auch neu gegründete reinen Online-Speditionen, die mit eigenen digitalen Ansätzen an den Start gehen.

Am Ende geht es im Kerngeschäft aber immer noch um die Abwicklung des Transports. Wir haben eine Lösung entwickelt, mit der Logistikdienstleister selbst zur Online-Spedition und digital buchbar werden und sich zudem untereinander stärker vernetzen können. Wir konzentrieren uns dabei auf digitale Prozesse für die Logistik, während unsere Speditionskunden sich weiter auf das Kerngeschäft, die Transportabwicklung fokussieren können. Gemeinsam schaffen wir es eine stark online- und digitalaffine Kundschaft anzusprechen, sehen aber auch, dass das Thema nach anfänglichem Zögern zunehmend bei der breiten Verladerschaft in den Fokus rückt.

Welche Dienstleistungen kann man digital verkaufen und welche eher nicht?
Sehr gut funktioniert der Online-Kanal bei Dienstleistungen, die wenig beratungsintensiv und nicht sehr individuell sind – zum Beispiel Tagespreisanfragen für einfache Transporte. Natürlich gibt es Parameter, die bisher klassisch am Telefon abgefragt wurden, aber professionell umgesetzt lässt sich das zum größten Teil digitalisieren, und man kann den Prozess über diese Digitalisierung auch sehr einfach verschlanken. Spezialfälle sind schwieriger und werden es bleiben: Jeder Disponent und jeder Spediteur kann sich sicher sofort an seine drei herausforderndsten Transporte erinnern – die könnte man kaum digitalisieren.
Felix Wiegand (Mitte), der als CEO fungiert, und Steven Qual (rechts), Leiter des Bereichs „Internal Operations“, haben Pamyra gegründet. CFO Lasse Landt (links) komplettiert die Geschäftsführung.
Was braucht eine Spedition, um auf dem digitalen Kanal erfolgreich zu sein?

Man muss natürlich alle wesentlichen Informationen abfragen und auch aktiv die Details kommunizieren, bei denen man nicht sicher davon ausgehen kann, dass der Kunde sie kennt. Bei uns rufen beispielsweise regelmäßig Leute an und fragen nach dem Preis für einen Transport. Dabei haben sie die Telefonnummer auf unserer Website gefunden, die ihnen als Vergleichs- und Buchungsplattform für Transporte den Preis mit ein paar Klicks zeigen kann. Solche Anrufe kann man nicht komplett verhindern, aber man kann versuchen, die Leute in die richtige Richtung zu lenken, und muss eine Buchungsstrecke so aufbauen, dass die Nutzer mehr oder weniger automatisch und intuitiv in die richtige Richtung laufen. Wenn eine Spedition auf unserem Marktplatz pamyra.de aktiv ist, generieren sich neue Kunden fast von alleine. Nutzt eine Spedition unsere Lösung auf ihrer eigenen Website, muss diese sich auch darum kümmern, dass ihr digitaler Kanal bekannt ist und genutzt wird. Das Marketing dafür liegt dann bei der Spedition, aber wir unterstützen unsere Partner bei dem Thema auch gern.

Wie viel Mensch braucht der digitale Vertrieb noch?

Ich finde die Frage spannend, wo menschliche Arbeit wirklich gut eingesetzt ist, also welche Bereiche sich nicht digitalisieren lassen. Preisanfragen per E-Mail beantworten oder irgendwelche Spezifikationen erfragen – das können digitale Systeme mit ein bisschen Vorarbeit sehr gut. Dagegen ist überall, wo eine empathische Komponente gebraucht wird, der menschliche Kontakt gefragt. Bei größeren Kunden im Service oder auch in der direkten Aushandlung von Verträgen spielen Erfahrung und persönliche Kommunikation eine ganz wichtige Rolle. Die Kunst wird meiner Meinung nach darin liegen, die Beschäftigten da zu entlasten, wo sie einfache, repetitive Aufgaben erledigen – auch weil das oftmals fehleranfälliger ist, als wenn ein Computer sie erledigt – und die menschliche Leistung stattdessen verstärkt da einzusetzen, wo sie einen echten Mehrwert für die Kunden schafft.

»Wenn eine Tätigkeit nicht im Kern des eigenen Geschäftsfeldes liegt, ist es auch völlig legitim, sie an andere abzugeben.«

Lasse Landt, Geschäftsführer Pamyra GmbH

Ab welcher Unternehmensgröße lohnt es sich, so ein digitales System selbst aufzusetzen?
Für sehr große Mittelständler und für Konzerne kann das eine Überlegung wert sein – da, wo die individuelle Abstimmung eines Systems auf die eigenen Bedürfnisse so einen großen Vorteil bringt, dass man bereit ist, siebenstellige Projektsummen zu investieren. Was viele unterschätzen, ist, dass eine individuell programmierte Lösung in der Regel nach drei Jahren schon wieder veraltet ist. Ein Software-as-a-Service-Modell, mit dem man jederzeit auf dem aktuellen Stand der Technik ist, kann also eine gute Alternative sein. Ich denke, es ist auch generell ein guter Rat, sich als Unternehmer und besonders in der Logistik auf sein Kerngeschäft und die eigenen Stärken zu konzentrieren. Wenn etwas nicht in diesem Kern des eigenen Geschäftsfeldes liegt, ist es auch völlig legitim, das abzugeben.
Welche Entwicklung sehen Sie für die nächsten Jahre?

Oberstes Gebot in der Branche ist sicher die weitere Effizienzsteigerung, vor allem durch eine optimale Auslastung der Ladekapazitäten. In puncto Transparenz wird sich in den kommenden Jahren viel tun: Die zunehmende Digitalisierung bringt eine höhere Preistransparenz mit sich – auch wenn das nicht jedem gefallen wird. Genauso wird sich die Transparenz bezüglich der Stärken und Schwächen einzelner Marktteilnehmer vergrößern. Ich muss mich als Spediteur mit einer wachsenden Anzahl an Wettbewerbern vergleichen lassen. Bisher wollen Spediteure ihren Kunden oft eine breite Palette an Dienstleistungen anbieten.

In Zukunft werden klare Profile sicher noch wichtiger: Jeder sollte sich seiner individuellen Stärken als Transportdienstleister noch bewusster werden und diese klar an die Kunden kommunizieren. Nicht zuletzt denke ich, dass Speditionen durch die digitale Vernetzung künftig Transporte, die sie selbst nicht abwickeln wollen oder können, automatisiert an andere Dienstleister abgeben werden: Aufträge, die sie gut selbst abwickeln können, erledigen sie dann in wachsendem Umfang selbst, und jene, die weniger zu ihren Stärken zählen, geben sie an andere ab – gegen eine kleine Vermittlungsgebühr und mit so wenig Aufwand wie möglich. Die hohe Wettbewerbsintensität, die derzeit noch in der Branche herrscht, könnte sich auf diesem Weg in Richtung von noch mehr Kooperation entwickeln.

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