„Teilweise liegen die Nerven blank“

Lesezeit ca. 4 Minuten
Text: Juliane Gringer
Fotos: Thomas Meinicke, Seifert Logistics Group

Die Corona-Pandemie zeigt erneut, wie wichtig Berufskraftfahrer für die Versorgung der Gesellschaft sind. Torsten Busch ist für die Seifert Logistics Group mit einer Sattelzugmaschine mit 13,60-Meter-Tautliner-Auflieger im Nahverkehr in Sachsen und Sachsen-Anhalt unterwegs. Für motionist.com berichtet er, wie er seinen Job im Jahr 2020 erlebt.

Wir Lkw-Fahrer gelten bei vielen Leuten leider immer noch als die, die mit ihren Trucks die Straßen verstopfen. Durch die Corona-Pandemie sieht die Öffentlichkeit aber viel stärker, dass wir einen wichtigen Job machen. Seit dem ersten Lockdown im Frühjahr verstehen endlich mehr Menschen, die damit sonst gar nichts zu tun haben, was Logistik für unsere Gesellschaft bedeutet. Das finde ich gut – auch wenn es dazu erst zu so einer Ausnahmesituation kommen musste.

Die Wirtschaft findet meiner Meinung nach zum größten Teil auf der Straße statt. Wir Fahrer wollen doch niemanden ärgern, wir machen nur unseren Job. Ich würde mir wünschen, dass die Leute, bevor sie über uns urteilen, einen Gang runterschalten. Das kann man auch ganz wörtlich nehmen: Wenn auf der Landstraße, wo der Lkw nur 60 km/h fahren darf, ein Pkw nicht überholen kann, ist das für den Fahrer nervig – klar! Aber dass dann der eine oder andere Kleinwagen-Fahrer halsbrecherische Manöver startet und uns zwingt, sinnlos zu bremsen, das muss einfach nicht sein.

In der Corona-Pandemie zeigt sich einmal mehr, wie wichtig die Arbeit von Torsten Busch und seinen Kolleginnen und Kollegen ist: Als Lkw-Fahrer ist er täglich unterwegs, um Waren zuverlässig und sicher ans Ziel zu bringen.

Kein Schreibtisch-Typ

Ich führe diesen Beruf sehr gerne aus. Denn ich bin ganz ehrlich: Ich bin kein Schreibtisch-Typ. Am Steuer habe ich meinen Tagesplan – und wenn alles erledigt ist, dann ist Feierabend. Unterwegs treffe ich öfter andere Fahrer und kann einen Plausch halten. Das sind die Dinge, die mir Spaß machen. Ich bin aber niemand, der sich um die Mittagszeit ewig am Imbiss rumdrückt. Ich erledige meine Aufgaben, und danach freue ich mich auf Zuhause. Da kann ich mir dann meinen Tag noch selbst einteilen. Das gefällt mir.

Überstunden für Toilettenpapier

Im Frühjahr gab es besonders viel zu tun. Vor allem in der Zeit, als die Leute offenbar glaubten, das Toilettenpapier geht aus. Da habe ich stellenweise gedacht, es gibt kein Morgen mehr – das war wirklich eine intensive Zeit. Wir haben bei der Seifert Logistics Group ein Zwischenlager für einen großen Hersteller von Hygieneartikeln. Da fahren wir auch die Shuttle-Touren zwischen Werk und Lager. Die Maschinen laufen 24 Stunden durch, und alles, was nicht direkt gebraucht wird, kommt in das Zwischenlager. Wenn der Absatz so steigt wie im März und April oder auch jetzt wieder im Herbst, dann produzieren die quasi direkt vom Band auf den Lkw. Die Shuttle-Umfuhren gibt es dann nicht mehr, sondern wir bringen die Artikel direkt ab Werk in die Supermärkte. Als die Ware in den Läden teilweise sehr knapp war, habe ich mit dem 40-Tonner auch mal nur fünf Paletten durch die Gegend gefahren, weil die unbedingt gebraucht wurden. So was passiert in „normalen“ Zeiten nicht.

Die Corona-Regelungen kosten Zeit

Meine Arbeit selbst hat sich in diesem Jahr wenig verändert, aber die Bedingungen drum herum natürlich schon sehr. Ich konnte nicht einfach von zu Hause arbeiten, daher haben wir vom Arbeitgeber Notfallpakete mit Desinfektionsmitteln, Handschuhen und Masken bekommen und wurden über den verantwortungsbewussten Umgang mit dem Virus informiert. Vor allem beim Kontakt mit den Kunden – beim Be- und Entladen. Ich habe da meine Routinen, und alle Handgriffe sitzen. Aber jetzt gibt es eben neue Abläufe: Ich brauche die Maske, ich muss meine Hände desinfizieren und immer auf genügend Abstand achten. Das kostet Zeit, wenn auch nicht viel. Und selbst wenn es jetzt schon eine Weile alles so praktiziert wird, muss ich mich manchmal auch erst wieder daran erinnern, wirklich an alles zu denken. Und ich will mal sagen: Ich habe das Gefühl, dass die Leute im Frühjahr sensibler mit der ganzen Sache umgegangen sind. Viele sind vom Thema Corona wohl einfach überreizt.

Berufskraftfahrer müssen zusammenhalten

Wenn ich jetzt zum Kunden komme und mich anmelde, ist die Stimmung nicht immer die beste. Das gilt nicht überall, aber man merkt es schon. Durch die Abstandsregel muss man teilweise vor der Tür warten, aber der eine oder andere Fahrer hat es ein bisschen eiliger. Eigentlich müssten wir zusammenhalten, wir sitzen ja alle im selben Boot. Aber teilweise liegen wohl einfach die Nerven ein bisschen blank. Auf der Straße ist es auch nicht mehr so entspannt wie im Frühjahr, das ist Fakt. Da war alles frei, jetzt sieht es wieder anders aus.

Image der Lkw-Fahrer verbessern

Ich mag meinen Job wirklich gern und kann ihn auch empfehlen. Mit dem Arbeitgeber sollte es meiner Meinung nach ein Geben und Nehmen sein. Die Tür schwingt da nach beiden Seiten: Wenn ich als Mitarbeiter zuverlässig bin und mein Chef merkt, „auf den kann ich mich verlassen“, dann kann ich auch auf ihn zugehen, wenn ich mal Hilfe brauche und zum Beispiel wegen privater Termine einen Tag frei haben möchte. Junge Menschen haben von diesem Beruf wahrscheinlich ein falsches Bild.

Umso schöner finde ich, dass mein Arbeitgeber, die Seifert Logistics Group, etwas für die Fahrer tut und das Image der Logistik verbessern möchte. Die Geschäftsführung unterstützt von Beginn an die Initiative „Die Wirtschaftsmacher“. Dort werden bei der Aktion „Logistikhelden“ Kolleginnen und Kollegen aus allen Bereichen der Branche mit ihren Geschichten vorgestellt – da sieht man, was wir alle in der Logistik leisten.

Harald Seifert, Vorsitzender des Beirats der Seifert Logistics Group, ist es ein persönliches Anliegen, Menschen zu bewegen und das Interesse an der Logistikbranche zu steigern. Seine Mitarbeiterin Jana Giuliano, Gabelstaplerfahrerin am Standort Ehingen, wurde für die Kampagne „Logistikhelden“ porträtiert. Ihr Foto ist auf der Seitenfläche eines Aufliegers zu sehen, der in Süddeutschland unterwegs ist.
Dass das Interesse an unserem Beruf so zurückgegangen ist, finde ich schade. Wenn sich mehr Leute dafür entscheiden würden, würde das auch uns Kolleginnen und Kollegen entlasten: Wenn wir mehr Kräfte hätten, wäre es für alle entspannter, weil die Arbeit besser verteilt wäre! Dass so viele Fahrer aus anderen Ländern an den Rampen unterwegs sind, sorgt teilweise schlicht für Kommunikationsprobleme: Wenn viele sich da gar nicht verständlich machen können und nur stumm die Ladenummer auf ihrem Handydisplay vorzeigen, kann ich den Verlader verstehen, wenn er nach dem 20. Mal die Nase voll hat. Eine gewisse Kommunikation ist einfach wichtig, sonst hält das alles nur den Verkehr auf.

Ohne Lkw geht gar nichts

Wie wichtig unser Job ist, wissen vor allem die Kunden. Wir fahren teilweise Firmen an, die ohne uns aufgeschmissen wären. Einen Sekthersteller zum Beispiel, der liegt in einem Tal ohne Gleisanschluss. Das Unternehmen weiß: Ohne Lkw geht bei ihm gar nichts. Im ersten Lockdown haben die Mitarbeiter uns Fahrern bei jeder Anlieferung ein kleines Paket mit Leckereien überreicht, um uns zu zeigen, wie sehr sie unsere Arbeit zu schätzen wissen. Sie haben das wirklich ein Vierteljahr durchgezogen. Das fand ich klasse! Und es ist nur ein Beispiel von mehreren schönen Erlebnissen in der Corona-Zeit. Die Bevölkerung sollte sich das wirklich bewusst machen: Ohne uns gäbe es eben keinen Sekt im Supermarktregal!
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1 Kommentar

  1. Ein sehr guter Artikel, der die momentane Situation bestens beschreibt.

    Die Menschen, die zu unserem aller Wohl das meiste beitragen, werden meistens zu wenig wertgeschätzt.

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