Solarstraßen für mehr Nachhaltigkeit im Transport

Lesezeit ca. 3 Minuten
Text: Juliane Gringer
Fotos: Solmove GmbH

PODCAST

Das ausführliche Interview mit Donald Müller-Judex hören Sie im motionist-Podcast.

Das Berliner Start-up Solmove baut Solarmodule, die auf Straßen aufgebracht werden können – so eröffnet der Asphalt neue Flächen zur Nutzung alternativer Energien und wird zum grünen Stromspender.

Der elektrische Antrieb von Autos und Nutzfahrzeugen ist eines der wichtigsten Konzepte für umweltfreundliche Mobilität. Doch die Fahrzeuge müssen an stationären Stromtankstellen aufgeladen werden – dabei stehen sie still und können nicht genutzt werden. Genauso innovativ wie logisch erscheint da die Idee von Solmove: Das Berliner Start-up entwickelt intelligente Solarstraßen, die Elektroautos während der Fahrt mit nachhaltigem Strom versorgen. In Zukunft sollen die Solarstraßen sogar noch mehr können: nämlich E-Mobile nicht nur mit Strom, sondern auch mit Daten versorgen. So wird aus dem Straßennetz ein Datennetz.

Solarstraßen liefern Energie

Donald Müller-Judex, Geschäftsführer der Solmove GmbH

Solmove baut Platten mit einer Fläche von 1,4 Quadratmetern, die auf den Straßenbelag aufgebracht werden. Die Basis dieser Platten ist ein Photovoltaik-Element, auf dem 140 bierdeckelgroße, sehr stabile Glasquadrate montiert sind. Dank ihrer Form und Größe sorgen sie für die Flexibilität, die notwendig ist, damit sich die Platten der natürlichen Krümmung der Straßen anpassen. Durch das Glas wird das Sonnenlicht optimal auf die Photovoltaik-Schicht gelenkt. Zudem sind die Glasflächen durch ein speziell geformtes Profil rutschfest und reinigen sich quasi selbst. Sie sind über ein Stecksystem einfach zu montieren, reduzieren Fahrgeräusche und können mindestens 20 Jahre lang genutzt werden. Die induktive Ladung von Elektrofahrzeugen während der Fahrt ist jedoch noch Zukunftsmusik. Vorerst wird der gewonnene Strom – jährlich bis zu 100 Kilowattstunden pro Modul –hauptsächlich ins Netz eingespeist.

Die Idee für die Solarstraßen hatte Donald Müller-Judex, Geschäftsführer der Solmove GmbH, vor rund zehn Jahren, als er in seiner damaligen Heimat, im Allgäu, Dachflächen für Solarmodule suchte: „Ich habe aber kein freies Dach gefunden – die waren schlicht alle belegt“, erinnert sich der studierte Maschinenbauer. „Also habe ich mich gefragt, ob man nicht die Straße dafür nutzen könnte.“ Müller-Judex beschreibt sich selbst als Erfindergeist: „Wenn ich ein Problem sehe, suche ich eine Lösung.“

Das Unternehmen Solmove hat er 2014 gegründet. Anfangs war er als Einzelkämpfer im Einsatz, dann mit der Unterstützung von Partnern und Geldgebern. Die Solarstraßen-Module entstehen unter anderem in Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE in Freiburg und dem Institut für Straßenwesen der RWTH Aachen University.

Teststrecke: Solarradweg in Köln

Im November 2018 wurde in Erftstadt nahe Köln eine Teststrecke eröffnet: Vorerst ist es „nur“ ein 90 Meter langer Radweg – aber es ist Deutschlands erster Solarradweg, und er soll helfen, die Module weiterzuentwickeln. Neben der Stromerzeugung bietet der Weg auch mehr Sicherheit: Die Fliesen können im Winter auch erwärmt werden und beugen damit Glatteis vor. „Diesen Weg nutzen nicht nur Radler, sondern auch Skateboardfahrer, Fußgänger, Kinder und Hunde – und auch mal ein Auto, so Müller-Judex. „Wir haben genauso schon einen Lkw darauf fahren lassen, um die Stabilität zu prüfen, und das hat sehr gut funktioniert.“ Gleichwohl sieht er den Einsatz für die Platten vorerst auf eher weniger stark befahrenen Wegen, etwa in Wohngebieten. „Auf Autobahnen ist zum einen die Belastung extrem“, erklärt der Firmengründer. „Außerdem gibt es 50-mal so viel Fläche auf Gemeindestraßen wie auf großen Überlandstraßen, etwa Autobahnen und Bundesstraßen. Bereiche, in denen wenig Verkehr fließt und die viel Sonnenlicht bekommen, sind optimal für uns.“

Beitrag zur Energiewende

Bei Kommunen ist Müller-Judex mit seinem Produkt „erst auf offene Münder gestoßen, dann auf offene Ohren“. Er erklärt das so: „Die Menschen haben erkannt, dass das nicht nur eine fixe Idee ist, sondern eine reale Chance, erheblich zur Energiewende beizutragen. Hundertprozentige Energieversorgung aus regenerativen Quellen ist ein gutes, wichtiges und wertvolles Ziel. Ich bin überzeugt, dass wir dieses Ziel mit Solarstraßen erreichen können, ohne aus Wiesen Modulwüsten zu machen.“

Straßen für die Gewinnung von Solarstrom zu nutzen, liegt für Müller-Judex auf der Hand: „Dächer stehen in vielen Orten der Welt nicht immer oder nicht mehr zur Verfügung. Straßen bieten dagegen gigantisch viel Platz, den man optimal nutzen kann: Allein in Deutschland stehen uns potenziell 1,2 Milliarden Quadratmeter zur Verfügung. Dafür müssen auch nicht – wie bei konventionellen Wind- und Solarkraftwerken – natürliche Flächen beeinträchtigt werden, sondern es werden eben bereits vorhandene Flächen genutzt.“

Mit Solarstraßen den Winterdienst sparen

2019 sollen weltweit weitere Testanlagen in Betrieb gehen. „Ab 2020 haben wir dann wahrscheinlich auch ein Produkt, das man über autorisierte Händler und Onlineshops im Handel kaufen kann“, so Müller-Judex. „Dann können auch Privatanwender gucken, kaufen und kleben. Sie können beispielsweise ihre Garageneinfahrt so umbauen, dass sie nicht nur Strom erzeugt, sondern im Winter auch Eis und Schnee abtaut.“ Denn mit einer speziellen Schaltung lassen sich die Module erwärmen – und der Hausbesitzer muss nicht mehr Schnee schippen. „Eine Kommune könnte durch die Module auf ihren Straßen den Winterdienst sparen und damit Kosten – auch, weil es keinen Zeitverzug gäbe, sondern die Wege pünktlich zum Berufsverkehr frei wären.“

Das Solmove-Team arbeitet auch daran, Verkehrszeichen in der Fahrbahn einblenden zu können. Das würde eine dynamische Verkehrsführung ermöglichen. Für Müller-Judex ist denkbar, dass Sensorik eingebaut wird, die beispielsweise das Gewicht von Lkw messen und vor einer Überbelastung von Brücken warnen kann. „Wir bieten mit den Modulen eine Oberfläche, die Strom zur Verfügung stellen kann und auch eine Datenanbindung. Daher lassen sich sicher viele weitere Anwendungen einbinden, die wir heute noch gar nicht absehen können.“

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