Schwertransporte sicher ans Ziel bringen

Lesezeit: ca. 4 Minuten
Text: Juliane Gringer
Fotos: Christian Schürmann, Adobe Stock (Roland Rampsch)

Die 23-jährige Larissa Weis begleitet Transporte mit Fertighausmodulen oder schweren Baumaschinen: Für den BF3-Begleitservice Krakow ist sie auf Deutschlands Straßen unterwegs, um Lkw mit außergewöhnlichen Lasten sicher ans Ziel zu bringen. Wie das funktioniert, vor welchen Herausforderungen sie dabei steht und was sie daran liebt, erzählt die junge Frau im Interview und im Podcast.

Frau Weis, Sie begleiten Schwertransporte. Wie sieht eine typische Arbeitswoche für Sie aus?
Meist erfahre ich erst am Wochenende, wo ich am Montag hinfahren werde, und bin dann bis Freitag unterwegs. In der Regel bin ich nur an den Wochenenden zuhause. Die Transportgüter, die wir begleiten, können sowohl Fertighaus-Module als auch besonders große, schwere Baumaschinen sein. Windräder und Co. begleite ich noch nicht – das ist die Königsklasse der Schwerlasttransporte. Die Touren entscheiden sich immer sehr kurzfristig, unter anderem hängen sie davon ab, ob die Beladung pünktlich geklappt hat, das Wetter mitspielt und wir im Fahrerteam alle unsere Ruhezeiten einhalten konnten. Länger als zwei Tage im Voraus kann man deshalb selten planen, aber genau das gefällt mir.
Wo sind Sie unterwegs?
Unsere Aufträge führen uns durch ganz Deutschland bis in die angrenzenden Länder. Wir fahren nachts, weil die Straßen dann freier sind und die Polizei mehr Kapazitäten hat, wenn sie uns unterstützen muss. Außerdem gibt es Sperrzeiten, die e nach Bundesland unterschiedlich sind, aber in der Regel dürfen wir morgens zwischen 6 und 9 Uhr sowie am Nachmittag zwischen 16 und 19 Uhr nicht fahren. In diesen Ruhezeiten kann ich schlafen oder mir die Stadt anschauen, in der ich gerade bin. Mit meinem Transporter kann ich auf normalen Pkw-Parkplätzen stehen bleiben und bin deshalb flexibler als meine Kolleginnen und Kollegen mit Lkw. Im Sommer fahre ich in der freien Zeit auch mal an einen See und gehe schwimmen.
Fahren Sie immer im Team?

Nicht immer, manchmal bin ich auch alleine bei einem Transport dabei. Aber meistens sind wir mehrere Fahrzeuge, die jeweils unterschiedliche Aufgaben erfüllen. Ich selbst fahre einen Sprinter, der als so genanntes Begleitfahrzeug 3, kur: BF3, agiert: Ich sichere den Transport von hinten ab und ersetze quasi die Spiegel des Lkw. Ich schaue, dass an den Seiten alles passt, wenn der Lkw über Land fährt. Auf der Autobahn brauchen unsere Transporte in der Regel zwei Spuren, dafür halten wir den Platz frei. Und wir halten vor allem Pkw davon ab, zu nah oder zu schnell an uns vorbeizufahren. Es gibt noch weitere Begleitfahrzeuge im Team: Das BF2 fährt hauptsächlich vornweg, meistens bei den Überlandfahrten, und warnt andere Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmer vor. Dazu nutzt es in der Regel eine Rundum-Leuchte. BF4 dürfen Straßen sperren: In der Regel sind es drei Autos, die vorausfahren und die Straßen freimachen, sodass der Lkw alleine durchfahren kann. Bei all unseren Aufgaben helfen uns die Verkehrszeichen, die wir über eine Anlage auf dem Auto schalten können, zum Beispiel  „Achtung“, „Allgemeines Überholverbot“ oder „LKW Überholverbot“. BF4 können auch Tempolimits setzen, Pfeile oder „Durchfahrt verboten“ anzeigen. Per Funkgerät können wir uns unterwegs absprechen und beispielsweise Bescheid geben, wenn sich ein Pkw vorbeidrängeln will.

»Es gibt zu viele Autofahrer, die sich rücksichtslos verhalten. Teilweise drängeln sie sich auf dem Standstreifen durch. Das ist gefährlich, nervenaufreibend und macht auch einfach keinen Spaß.«

Larissa Weis, Begleitfahrerin für Schwertransporte für BF3-Begleitservice Krakow

Passiert das häufig?
Sogar oft. Viele Autofahrer sehen sie unser Blinklicht und denken offenbar, da müssen sie noch vorbei – egal, ob wir 90 oder 50 fahren. Teilweise drängeln sie sich auf dem Standstreifen durch. Das ist gefährlich, nervenaufreibend und macht auch einfach keinen Spaß. Wenn wir mit mehreren solcher Überholmanöver konfrontiert sind, bin ich am Ende einer Schicht immer fix und fertig. In einigen Fällen sind sogar schon Seitenspiegel von den Pkw abgerissen, weil sie an der Ladung hängengeblieben sind. Gott sei Dank ist auf meinen Touren noch nichts Schlimmeres passiert. Grundsätzlich muss man sagen: Das ist vermeidbar, wenn alle auf unsere Zeichen achten und sich danach richten. Im Straßenverkehr haben Lichtzeichen, wie wir sie setzen, nun mal Vorrang gegenüber den festen Straßenschildern.
Es gibt nur wenige Frauen am Lenkrad. Wie erleben Sie als Frau den Job?
Ich habe anfangs schon überlegt, ob das für mich als Frau überhaupt etwas ist. Denn natürlich hatte ich das Bild eines Lkw-Fahrers im Kopf, der sehr stark sein muss und wusste nicht, ob ich das schaffe. Aber ich dachte mir auch, dass ich es nicht herausfinden werde, wenn ich es nicht ausprobiere. Wir Frauen sind definitiv in der Unterzahl. Aber das hat für mich auch Vorteile. Klar gucken erst mal alle, wenn ich ankomme, weil ich weiblich bin und mit 23 Jahren auch noch ziemlich jung. Aber viele Kollegen helfen beispielsweise direkt, wenn schwere Sachen gehoben werden müssen. Ich habe mir trotzdem Techniken angeeignet, damit ich es selbst schaffe, wenn ich alleine unterwegs bin. Ab und zu lasse ich sie aber einfach machen. Natürlich begegnet man auch Vorurteilen. Es gab Herren, die haben kein Wort mit mir geredet oder gesagt: ‚Habt ihr keinen Mann, den ihr mir schicken könnt?‘. Man muss den Männern manchmal eine Ansage machen, damit sie kapieren, dass ich hier genauso hingehöre wie sie. Ich denke, am Ende hat man als Frau in dem Beruf eben Vor- und auch Nachteile.
Was würden Sie anderen Frauen raten, die sich dafür interessieren?
Sie sollten eine dicke Haut mitbringen. Man muss sich durchbeißen und durchsetzen können. Aber es lohnt sich! Man darf sich von anderen nicht einschüchtern lassen. Es werden sicher blöde Sprüche kommen, aber die werden überall gemacht.
Sie tragen viel Verantwortung. Wie gehen Sie damit um?
Ja, die Verantwortung ist groß, weil wir dafür sorgen müssen, dass sowohl dem Lkw-Fahrer als auch allen anderen Straßenverkehrsteilnehmern nichts passiert – egal, ob sie mit dem Auto, dem Rad oder zu Fuß unterwegs sind. Und natürlich muss auch der Transport selbst unversehrt ans Ziel kommen. Wenn ich sage, dass noch ein Meter Luft ist, der Lkw anfährt und es war doch nicht genug Platz – dann kann das immense Kosten verursachen, und das nur wegen einer kurzen Unachtsamkeit.
Sie sind im Oktober 2021 in den Job eingestiegen. Wie kam es dazu und was macht gefällt Ihnen daran?
Ich bin gelernte Friseurin und als ich noch in diesem Beruf gearbeitet habe, hatte ich immer einen ähnlichen Tagesablauf und feste Arbeitszeiten. Damit ist es bei der Begleitung von Schwertransporten jetzt vorbei – ich weiß oft nicht, wo ich morgen im Einsatz bin und auch, was bei einer Tour im nächsten Moment passiert. Dafür muss man wahrscheinlich geboren sein, für viele Leute wäre es zu stressig. Aber ich liebe es! Als mir klar war, dass ich nicht mehr als Friseurin arbeiten will, hat mir eine Bekannte erzählt, dass sie beruflich Schwertransporte unterstützt. Sie ist heute eine Kollegin von mir. Ich musste nur noch etwas Zeit überbrücken, weil ich damals erst seit einem Jahr meinen Führerschein hatte und man muss ihn mindestens zwei Jahre haben, um die Begleitfahrzeuge führen zu dürfen.
Die gesetzlichen Anforderungen an alle, die ein Begleitfahrzeug führen, sind der Führerschein und eine zweitägige Schulung, die mit einer Prüfung abschließt. Welche persönlichen Eigenschaften sollte man Ihrer Ansicht nach mitbringen?
Man muss bereit sein, unter der Woche immer unterwegs zu sein, nachts zu arbeiten und das auch körperlich gut wegstecken. Das hat viele Konsequenzen: Ich sehe von Montag bis Freitag meine Familie nicht, meinen Partner und meine Freunde. Und ich kann auch in dieser Zeit nichts unternehmen und beispielsweise keine Hobbys pflegen, weil ich fast immer unterwegs bin. Wichtig ist außerdem, dass man offen ist und gut mit Kolleginnen und Kollegen im Team arbeiten kann.

»Wir Fahrerinnen und Fahrer sind wie eine große Familie. Ich mache fast nur gute Erfahrungen: Wenn du irgendwo ankommst, wirst du direkt begrüßt und geduzt und alle helfen einander.«

Larissa Weis, Begleitfahrerin für Schwertransporte für BF3-Begleitservice Krakow

Wie erleben Sie den Zusammenhalt untereinander?
Der ist groß! Wir Fahrerinnen und Fahrer, ob von Begleitfahrzeugen oder Lkw, sind wie eine große Familie. Ich mache fast nur gute Erfahrungen: Wenn ich irgendwo ankomme, werde ich direkt begrüßt und geduzt und alle helfen einander. Hat jemand zum Beispiel seine Verpflegung vergessen, unterstützen ihn die anderen, indem sie ihn mit dem Transporter zum Supermarkt fahren oder von ihren Dingen abgeben.
Sie selbst engagieren sich für die Kraftfahrer-Initiative „Bewegen mit Herz e.V.“, die mit „A happy Day of Life“ benachteiligten Kindern einen schönen Tag ermöglicht. Was verbinden Sie damit?
Wir reisen jedes Jahr in ein anderes Bundesland, holen dort mit einem Lkw-Konvoi Kinder aus Heimen oder sozial benachteiligten Familien ab und feiern ein buntes Fest mit ihnen. Es ist toll zu sehen, wie fröhlich sie das macht. Ich habe beim letzten Mal am Kuscheltierstand geholfen, an dem sich die Kids kostenlos etwas aussuchen konnten. Ich finde ehrenamtliches Engagement sehr wichtig. Für uns Lkw-Fahrerinnen und -Fahrer setzt sich beispielsweise der Verein „PROFI – Pro Fahrer-Image“ ein. Das ist wichtig, denn würden mal alle Lkw stehenbleiben, wären die Supermärkte leer und kein Haus könnte weitergebaut werden. Aber man sollte den Fahrerinnen und Fahrern mehr Respekt zollen, gerade denen, die die ganze Woche unterwegs sind. Sie sind weg von der Familie. Und es kann passieren, dass sie einen Unfall haben und nie wieder nach Hause kommen. Sie tun das nicht nur für sich, sondern sie machen das für jeden Einzelnen von uns.
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