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Text: Peter Büttner
Fotos: Holger Jacoby, BPW, Fehrenkötter
Um einen Oldtimer-Lkw wieder voll funktionsfähig zu machen, braucht man Geduld, Wissen und Ausdauer. Die Faszination für die historischen Fahrzeuge heizt diese Kräfte an.
Nahe dem Gasometer in Oberhausen, auf einem 44.000 Quadratmeter großen Gelände, auf dem der Thyssen-Konzern einst Stahl produzierte, erzählen mehr als 300 altgediente Fahrzeuge etwas über die Wirtschaftsgeschichte Deutschlands: Sascha Hoffmann und sein Vater Helmut erwecken die Oldtimer-Lkw zum Leben und bringen sie wieder auf die Straße.
Sascha Hoffmann ist 38 Jahre alt. Die meisten Lastwagen, die in den Hallen und auf dem Außengelände des ehemaligen Industriekomplexes stehen, sind älter als der gelernte Kfz-Mechaniker. Sie stammen aus einer Zeit, als es zum Rangieren noch keine elektronische Einparkhilfe gab, sondern ein Peilstab auf der Stoßstange als Orientierungspunkt diente. Einer Zeit, in der die Kippaufbauten noch per Hand entriegelt wurden, die Getriebe noch nicht synchronisiert und die Rückspiegel nicht größer als ein Kosmetikspiegel waren. „Da griff ein Teil ins andere“, schwärmt Sascha Hoffmann. Er erzählt, dass er einen Oldtimer mühelos fünfmal auseinander- und wieder zusammenbauen kann, ohne dass dabei ein Teil Schaden nimmt. Dabei hat er großen Respekt vor der Qualität der alten Fabrikate. Der einzige Feind ist der Rost: „Die heutigen Karosserien sind zweifellos weniger anfällig“, berichtet er.
Fund weckte Erinnerungen
So wie diese Anekdote, die Sascha Hoffmann von seinem heute 71-jährigen Vater erzählt, verbindet viele Kunden, die sich bei ihm nach einem Lkw-Oldtimer erkundigen, eine ganz persönliche Beziehung mit den Fahrzeugen. „Wenn sie eins kaufen, hat das so gut wie immer mit Erinnerungen an die Kindheit zu tun“, schildert er. Die Käuferschicht ist sehr durchmischt, zu den Kunden zählen Bauunternehmer genauso wie Ärzte oder ehemalige Lkw-Fahrer. Sie alle eint die Leidenschaft für alte Lastwagen, mit denen sie ihre Freizeit verbringen möchten. Besonders beliebt sind Mulden- oder 3-Seiten-Kipper, die sich auch als Baufahrzeuge nutzen lassen.

Qualität seit 1898: In den Beständen des Nutzfahrzeug Veteranen Centers (NVC) finden sich auch alte BPW Achsen wieder.
Die Restauration der Lkw-Oldtimer kann einige Monate oder ein paar Jahre dauern, je nach Aufwand.

Ersatzteile aus Schlachtfahrzeugen
König der Landstraße
Manche Kunden bringen den Hoffmanns einen eigenen Lkw zur Restaurierung, andere suchen sich ihr Traumfahrzeug aus dem Bestand aus und lassen es nach ihren Wünschen fertigen. Dies kann einige Monate oder ein paar Jahre dauern, je nach Aufwand. Helmut Hoffmann weiß das nur zu gut: Ein Jahr, nachdem er den alten Büssing fertiggestellt hatte, nahm er sich einen Krupp Titan zur Brust, den er aus Beständen der belgischen Armee übernommen hatte. Der „König der Landstraße“ hat 210 PS, das Gestell mit kurzem Fahrerhaus verlängerte Hoffmann anhand alter Werkszeichnungen. Schnellere Achseinsätze erlauben höhere Geschwindigkeiten von bis zu 90 Stundenkilometern. Zwischen 3.000 und 4.000 Stunden benötigte der Senior für die Restaurierung, der Pritschenwagen ist Hoffmanns Aushängeschild bei Oldtimertreffen. Die Front hat er mit dem alten Firmenschriftzug „Spedition Hoffmann Oberhausen/Rheinland“ versehen – so viel Stolz sollte erlaubt sein.
In der Sammlerbranche bekannt
Joachim Fehrenkötter kennt die Faszination, die Oldtimer auslösen können, aus eigener Erfahrung. Der Spediteur aus Ladbergen war 13 Jahre alt, als sein Vater bei einem Bauunternehmer einen schrottreifen Büssing 8000 aus dem Jahr 1953 entdeckte. Der Vater füllte den Tank mit Diesel, startete den 180 PS starken Motor – und war fasziniert von dem Klang, den die sechs Zylinder mit 13 Liter Hubraum erzeugten. „Das Geräusch haute ihn um“, sagt Fehrenkötter schmunzelnd. Der Vater nahm den Büssing mit und restaurierte ihn: „Er hat ihn bis auf den letzten Winkel auseinandergenommen und sich so in seine Jugend zurückgeschraubt.“ Für Joachim Fehrenkötter selbst bedeutete das, dass sich der elterliche Speditionshof, der für ihn eine Art Spielplatz war, fortan um Oldtimer erweitern sollte. Diese sind heute in einem kleinen Museum zu bestaunen.
Das Hobby und die Leidenschaft hielten Einzug ins Hauptgeschäft des Unternehmens: Die Spedition, die in ihren 30 selbst entwickelten Flexcover-Zügen Landmaschinen und Traktoren von Herstellern wie Krone und Claas sowie hochwertige Automobile transportiert, hat sich auch in der Sammlerbranche einen Namen gemacht. „Es hat sich herumgesprochen, dass wir Oldtimer unter einer Plane sauber von A nach B bringen können. Manche Fahrzeuge hatten wir schon zwei- oder dreimal auf dem Auto“, berichtet Fehrenkötter. Die Auflieger können bis zu 3,20 Meter breite Fahrzeuge aufnehmen, Achsen von BPW sorgen für die nötige Stabilität. Kein Geheimnis ist es in der Szene auch, dass der 48-Jährige eine ganz genaue Vorstellung davon hat, was er gerade transportiert: „Wenn niemand mehr weiß, wie man ein altes Vorkriegsauto startet, dann werde ich gefragt.“



WAGENBAU ZUM AUSPROBIEREN
5.500 Jahre Kultur- und Technikgeschichte des gezogenen Wagens: Im Museum „Achse, Rad und Wagen“ in Wiehl präsentiert BPW neben eigenen historischen und modernen Achsen auch frühgeschichtliche und antike Exponate aus Europa, Asien und Afrika sowie neuzeitliche Ausstellungsstücke zum Wagenbau.
Mehrere interaktive Stationen animieren die Besucher, einzelne Fahrwerkskomponenten spielerisch auszuprobieren. Darüber hinaus können sie Informationen über die Erfindung und Verbreitung des Wagens aufrufen. Informative Texttafeln leiten durch die Themenbereiche und machen die komplexen Zusammenhänge auch für technische Laien verständlich.
Im Frühjahr 2018 bekam das Museum Besuch von der Firma Kempf Fahrzeugbau, die mit einigen Liebhaberstücken vorbeischaute. Ein Stück Transportgeschichte rollte durch Wiehl und machte passenderweise bei BPW halt: Schließlich waren in der illustren Nutzfahrzeugkolonne auch viele BPW Achsen zu entdecken.
Das Museum ist jeden Sonntag von 13 bis 17 Uhr geöffnet. In der Schmiede finden an jedem ersten Sonntag im Monat während der Öffnungszeit auch Vorführungen statt.
