Oldies but Goldies!

Lesezeit ca. 6 Minuten
Text: Peter Büttner
Fotos: Holger Jacoby, BPW, Fehrenkötter

Um einen Oldtimer-Lkw wieder voll funktionsfähig zu machen, braucht man Geduld, Wissen und Ausdauer. Die Faszination für die historischen Fahrzeuge heizt diese Kräfte an.

Nahe dem Gasometer in Oberhausen, auf einem 44.000 Quadratmeter großen Gelände, auf dem der Thyssen-Konzern einst Stahl produzierte, erzählen mehr als 300 altgediente Fahrzeuge etwas über die Wirtschaftsgeschichte Deutschlands: Sascha Hoffmann und sein Vater Helmut erwecken die Oldtimer-Lkw zum Leben und bringen sie wieder auf die Straße.

Sascha Hoffmann ist 38 Jahre alt. Die meisten Lastwagen, die in den Hallen und auf dem Außengelände des ehemaligen Industriekomplexes stehen, sind älter als der gelernte Kfz-Mechaniker. Sie stammen aus einer Zeit, als es zum Rangieren noch keine elektronische Einparkhilfe gab, sondern ein Peilstab auf der Stoßstange als Orientierungspunkt diente. Einer Zeit, in der die Kippaufbauten noch per Hand entriegelt wurden, die Getriebe noch nicht synchronisiert und die Rückspiegel nicht größer als ein Kosmetikspiegel waren. „Da griff ein Teil ins andere“, schwärmt Sascha Hoffmann. Er erzählt, dass er einen Oldtimer mühelos fünfmal auseinander- und wieder zusammenbauen kann, ohne dass dabei ein Teil Schaden nimmt. Dabei hat er großen Respekt vor der Qualität der alten Fabrikate. Der einzige Feind ist der Rost: „Die heutigen Karosserien sind zweifellos weniger anfällig“, berichtet er.

Fund weckte Erinnerungen

Hoffmanns Großvater betrieb ab 1946 eine Spedition, die sein Vater Helmut im Jahr 1970 übernahm. Der Junge war gerade sieben Jahre alt, als Helmut Hoffmann in den 1980er-Jahren einen alten Büssing 7500-S bei einem Kunden entdeckte – baugleich mit jenem, der ab 1954 für die familieneigene Spedition auf den Straßen des Ruhrgebiets unterwegs gewesen war. Dieser Fund war für ihn ein Schlüsselerlebnis: Helmut Hoffmann erinnerte sich daran, wie er als Jugendlicher immer seinen Vater begleitet hatte: auf der kleinen Holzbank links neben dem Fahrersitz. Der begeisterte Motorsportler zögerte nicht lange: Er nahm den Büssing mit nach Oberhausen und restaurierte das in die Jahre gekommene Fahrzeug gemeinsam mit seinen Brüdern. Dann ging alles wie von selbst: Es kamen immer mehr Fahrzeuge hinzu, und aus dem Hobby wurde ein Beruf. 2010 stellten die Hoffmanns den Speditionsbetrieb ein und konzentrieren sich seitdem darauf, alte Lastwagen zu restaurieren.

So wie diese Anekdote, die Sascha Hoffmann von seinem heute 71-jährigen Vater erzählt, verbindet viele Kunden, die sich bei ihm nach einem Lkw-Oldtimer erkundigen, eine ganz persönliche Beziehung mit den Fahrzeugen. „Wenn sie eins kaufen, hat das so gut wie immer mit Erinnerungen an die Kindheit zu tun“, schildert er. Die Käuferschicht ist sehr durchmischt, zu den Kunden zählen Bauunternehmer genauso wie Ärzte oder ehemalige Lkw-Fahrer. Sie alle eint die Leidenschaft für alte Lastwagen, mit denen sie ihre Freizeit verbringen möchten. Besonders beliebt sind Mulden- oder 3-Seiten-Kipper, die sich auch als Baufahrzeuge nutzen lassen.

Qualität seit 1898: In den Beständen des Nutzfahrzeug Veteranen Centers (NVC) finden sich auch alte BPW Achsen wieder.

 

 

Die Restauration der Lkw-Oldtimer kann einige Monate oder ein paar Jahre dauern, je nach Aufwand.

Ersatzteile aus Schlachtfahrzeugen

Ob Henschel, Büssing oder Krupp – die Namen der Hersteller sind eng mit der Zeit des Wirtschaftswunders verknüpft. Sascha Hoffmann hat schon früh seinen eigenen Favoriten entdeckt: Mercedes. Bereits mit 16 Jahren restaurierte er seinen ersten Lkw der Marke. Heute steht auf einer der sechs Bahnen in seiner Werkstatthalle gerade ein 319er aus den 1960er-Jahren; der Kastenwagen stammt aus den Beständen der freiwilligen Feuerwehr Oetisheim. Das Fahrzeug wurde bei einem Unfall hinten eingedrückt. In der Werkstatt wurde es gerichtet, die beschädigten Teile werden erneuert. Die Bleche für die Seiten und das Heck liegen schon bereit. Die Materiallage beim 319er ist verhältnismäßig gut: Es gibt Spezialisten, die Ersatzteile fertigen. Darüber hinaus haben die Hoffmanns auch noch einige „Schlachtfahrzeuge“ im Bestand. Die künftige Nutzung des Oldies steht bereits fest: Es wird für Hoffmanns „Nutzfahrzeug-Veteranen-Center“ als Werkstattwagen bei Oldtimerrallyes an den Start gehen. „Der Wagen ist erst 30.000 Kilometer gefahren und technisch einwandfrei“, freut sich Sascha Hoffmann. Das Modell ist auf dem Oldtimermarkt sehr gefragt, neben dem T1 und dem T2 gehört der 319er zu den beliebtesten Transportern. Rund ein Jahr werden Reparatur und Restaurierung dauern, in der eigenen Lackiererei wird der Wagen noch umgespritzt. „Wenn so ein Ding fertig ist, dann weiß man: Wir haben ganz schön was geschafft.“

König der Landstraße

Das Unternehmen beschäftigt zehn erfahrene Mechaniker, darunter Karosseriebauer und Elektriker, die Spaß an alten Fahrzeugen haben und sich mit ihnen auskennen. Einige von ihnen arbeiten gerade an einem roten Henschel HS15, der zwei Reihen vor dem Mercedes 319 steht. Das Fahrzeug wurde früher von der Straßenmeisterei als Kipper eingesetzt und befindet sich noch weitgehend im Originalzustand. Der 192 PS starke Motor hat erst 50.000 Kilometer auf dem Buckel. Ein Kunde hat das Fahrzeug aus Hoffmanns Bestand gekauft und lässt es seit einem halben Jahr zum Sattelschlepper umbauen. Ein Wohnkoffer wird den Wagen zum Reisemobil machen, er steht kurz vor der Auslieferung.

Manche Kunden bringen den Hoffmanns einen eigenen Lkw zur Restaurierung, andere suchen sich ihr Traumfahrzeug aus dem Bestand aus und lassen es nach ihren Wünschen fertigen. Dies kann einige Monate oder ein paar Jahre dauern, je nach Aufwand. Helmut Hoffmann weiß das nur zu gut: Ein Jahr, nachdem er den alten Büssing fertiggestellt hatte, nahm er sich einen Krupp Titan zur Brust, den er aus Beständen der belgischen Armee übernommen hatte. Der „König der Landstraße“ hat 210 PS, das Gestell mit kurzem Fahrerhaus verlängerte Hoffmann anhand alter Werkszeichnungen. Schnellere Achseinsätze erlauben höhere Geschwindigkeiten von bis zu 90 Stundenkilometern. Zwischen 3.000 und 4.000 Stunden benötigte der Senior für die Restaurierung, der Pritschenwagen ist Hoffmanns Aushängeschild bei Oldtimertreffen. Die Front hat er mit dem alten Firmenschriftzug „Spedition Hoffmann Oberhausen/Rheinland“ versehen – so viel Stolz sollte erlaubt sein.

In der Sammlerbranche bekannt

Joachim Fehrenkötter kennt die Faszination, die Oldtimer auslösen können, aus eigener Erfahrung. Der Spediteur aus Ladbergen war 13 Jahre alt, als sein Vater bei einem Bauunternehmer einen schrottreifen Büssing 8000 aus dem Jahr 1953 entdeckte. Der Vater füllte den Tank mit Diesel, startete den 180 PS starken Motor – und war fasziniert von dem Klang, den die sechs Zylinder mit 13 Liter Hubraum erzeugten. „Das Geräusch haute ihn um“, sagt Fehrenkötter schmunzelnd. Der Vater nahm den Büssing mit und restaurierte ihn: „Er hat ihn bis auf den letzten Winkel auseinandergenommen und sich so in seine Jugend zurückgeschraubt.“ Für Joachim Fehrenkötter selbst bedeutete das, dass sich der elterliche Speditionshof, der für ihn eine Art Spielplatz war, fortan um Oldtimer erweitern sollte. Diese sind heute in einem kleinen Museum zu bestaunen.

Das Hobby und die Leidenschaft hielten Einzug ins Hauptgeschäft des Unternehmens: Die Spedition, die in ihren 30 selbst entwickelten Flexcover-Zügen Landmaschinen und Traktoren von Herstellern wie Krone und Claas sowie hochwertige Automobile transportiert, hat sich auch in der Sammlerbranche einen Namen gemacht. „Es hat sich herumgesprochen, dass wir Oldtimer unter einer Plane sauber von A nach B bringen können. Manche Fahrzeuge hatten wir schon zwei- oder dreimal auf dem Auto“, berichtet Fehrenkötter. Die Auflieger können bis zu 3,20 Meter breite Fahrzeuge aufnehmen, Achsen von BPW sorgen für die nötige Stabilität. Kein Geheimnis ist es in der Szene auch, dass der 48-Jährige eine ganz genaue Vorstellung davon hat, was er gerade transportiert: „Wenn niemand mehr weiß, wie man ein altes Vorkriegsauto startet, dann werde ich gefragt.“

Mit ihren selbstentwickelten Flexcover-Zügen transportiert die Spedition Fehrenkötter unter anderem hochwertige Oldtimer.

WAGENBAU ZUM AUSPROBIEREN

5.500 Jahre Kultur- und Technikgeschichte des gezogenen Wagens: Im Museum „Achse, Rad und Wagen“ in Wiehl präsentiert BPW neben eigenen historischen und modernen Achsen auch frühgeschichtliche und antike Exponate aus Europa, Asien und Afrika sowie neuzeitliche Ausstellungsstücke zum Wagenbau.

Mehrere interaktive Stationen animieren die Besucher, einzelne Fahrwerkskomponenten spielerisch auszuprobieren. Darüber hinaus können sie Informationen über die Erfindung und Verbreitung des Wagens aufrufen. Informative Texttafeln leiten durch die Themenbereiche und machen die komplexen Zusammenhänge auch für technische Laien verständlich.

 

Im Frühjahr 2018 bekam das Museum Besuch von der Firma Kempf Fahrzeugbau, die mit einigen Liebhaberstücken vorbeischaute. Ein Stück Transportgeschichte rollte durch Wiehl und machte passenderweise bei BPW halt: Schließlich waren in der illustren Nutzfahrzeugkolonne auch viele BPW Achsen zu entdecken.

Das Museum ist jeden Sonntag von 13 bis 17 Uhr geöffnet. In der Schmiede finden an jedem ersten Sonntag im Monat während der Öffnungszeit auch Vorführungen statt.

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