Leiser Kraftprotz

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Text: Oliver Willms
Fotos: Richard Kienberger, SCHERM Gruppe

Die bayerischen Logistikexperten von der SCHERM Gruppe setzen den ersten 40-Tonner mit Elektroantrieb im Just-in-time-Zulieferverkehr für BMW ein. Ein deutlicher Vorstoß in Richtung Alternativantriebe für Lkw.

Ein leises Surren – das ist der Klang, mit dem Systemdienstleister SCHERM die Zukunft des Lkw-Lieferverkehrs einleitet. Es ist das Laufgeräusch des 188 PS starken Elektromotors, der einen 40-Tonner ebenso ruhig wie spurtstark in Bewegung setzt. Die oberbayerischen Logistikexperten betreiben damit den ersten vollwertigen Sattelzug in der Automobilbranche, der seine Arbeit zu 100 Prozent CO2-frei verrichtet.

„Nach einer solchen Transportlösung haben wir lange gesucht“, erklärt Daniel Pasztor, Geschäftsführer der SCHERM Logline Transport GmbH. Nachhaltigkeit ist für das Familienunternehmen mehr als Zeitgeist, dem man gerecht werden muss. Vielmehr setzt man bereits seit Langem in allen Bereichen auf Umweltverträglichkeit. Das ökologische Engagement umfasst eine breite Palette vom Elektroantrieb für Kleinwagen und Flurförderzeuge über neueste Abgastechnologie für Lkw und den Einsatz von wirtschaftlicheren Lang-Lkw bis hin zur eigenen Photovoltaik-Anlage.

Perfekter Partner

Der Schritt zum vollelektrischen Lkw war deshalb nur logisch, wenn auch nicht einfach. „Wir haben uns bereits vor einigen Jahren intensiv Gedanken gemacht, welche Alternativen es im Nahverkehr zum Dieselmotor gibt“, erläutert Daniel Pasztor. Mit dem niederländischen Spezialfahrzeughersteller Terberg fand man den passenden Lieferanten. Auf Basis eines Terminal-Traktors entstand somit die erste vollelektrische Sattelzugmaschine, die auch auf öffentlichen Straßen einen 40-Tonnen-Zug bewegen kann.

Als perfekter Partner für die CO2-freie Fahrt auf Münchens Straßen steht BMW am Ende der Lieferkette: ein Fahrzeughersteller, der sich ebenfalls mit viel – elektrischer – Energie um Nachhaltigkeit in der Mobilität verdient macht. So surrt der E-Lkw von SCHERM täglich achtmal vom Versorgungszentrum ins knapp drei Kilometer entfernte BMW-Stammwerk Milbertshofen im Norden der bayerischen Metropole. Dorthin liefert die flüsterleise strombetriebene Zugmaschine mit einem Low-Deck-Trailer im Schlepptau Fahrzeugkomponenten wie Stoßdämpfer, Lenkgetriebe oder Fahrwerksfedern just in time ans Produktionsband.

Ladung mit Ökostrom

100 Kilometer weit kommt der E-Lkw mit einer Füllung seiner beiden Lithium-Ionen-Batterien. Dann parkt der wendige Terberg wieder an einer überdimensionalen Steckdose der im SCHERM-Depot installierten Ladestation. Drei bis vier Stunden dauert es, bis die Speicher wieder vollständig aufgeladen sind – natürlich mit Ökostrom.

Für den Pendelverkehr zwischen Logistiklager und BMW-Werk reicht die Systemleistung von 132 Kilowatt, die der Siemens-Asynchronmotor an ein vierstufiges Automatikgetriebe abgibt, auch bei voller Beladung aus. Stammfahrer Christoph Michalski schwört mittlerweile auf sein Fahrzeug: „Ich fahre heute den Elektro-Lkw lieber als einen normalen“, freut er sich. In der kompakten Kabine der Zugmaschine fehlt es an nichts, die Übersichtlichkeit ist perfekt, der Aufstieg über eine seitlich platzierte Treppe höchst komfortabel.

Nur das vergleichsweise hohe Eigengewicht von zehn Tonnen – zwei davon gehen allein auf das Konto der beiden Batterien – zeugt davon, dass diese Terberg-Traktoren normalerweise viele Jahre lang im rauen Umfeld des Container- und Terminalumschlags ihre Arbeit verrichten. Wie jeder andere Elektro-Lkw-Fahrer hat auch Michalski eine spezielle Einweisung im Umgang mit dem Fahrzeug durchlaufen. „Sicherheit nimmt bei uns einen sehr hohen Stellenwert ein“, sagt Daniel Pasztor. „Da wird bei uns nicht gespart!“ So verfügen die schweren Fahrzeuge im SCHERM-Fuhrpark über eine komplette Ausstattung mit Sicherheitskomponenten wie Abstandsradar und Spurführungsassistenten.

Daniel Pasztor, Geschäftsführer von SCHERM Logline Transport, ist mit seinem nachhaltigen City-Transport hochzufrieden.

In der Praxis bewährt

Beim Elektro-Lkw ist die Höchstgeschwindigkeit per Zulassung auf 40 Stundenkilometer limitiert. In der City fällt das aber kaum ins Gewicht, und dafür steht die maximale Durchzugskraft elektromotortypisch sofort zur Verfügung. Nach über einem Jahr Praxiseinsatz beweist sich der elektrische Sattelzug als durch und durch zuverlässiger Partner: Weder im Winter- noch im Sommereinsatz kam es zu nennenswerten Ausfällen oder Stillstandszeiten. Das Fahrzeug erfüllt die Ansprüche an Nachhaltigkeit, die sowohl Betreiber SCHERM als auch Partner und Kunde BMW vergleichsweise hoch ansetzen. Die Resonanz auf den erfolgreichen Praxiseinsatz war groß, berichtet Marketingleiter Maximilian Roos: „Wir haben enorm viel Feedback und durchweg positive Reaktionen bekommen!“

Hohe Anschaffungskosten

Bei Image und Umweltschutz ist der Praxisversuch also ein Volltreffer. Nur die finanzielle Bilanz ist noch nicht zufriedenstellend, obwohl die Aufwendungen für Kraftstoff im Vergleich zum Diesel niedrigerer sind. „Das Fahrzeug kostet in der Anschaffung rund dreimal so viel wie ein konventioneller Lkw“, kalkuliert Daniel Pasztor. „Rein wirtschaftlich darf man den Einsatz heute freilich noch nicht sehen. Dafür bräuchte man Anreize wie eine staatliche Förderung.“

Und trotzdem ist der erste Elektro-Lkw für SCHERM ein voller Erfolg. Davon ist Pasztor überzeugt: „Wir zeigen heute zusammen mit unseren Partnern, dass ein Praxiseinsatz zuverlässig machbar ist!“ Wie überall im Bereich der aufkeimenden Elektromobilität bedürfe es größerer Stück­zahlen, um die Technologie wirtschaftlich zu machen. Nachhaltigkeitspioniere wie SCHERM sind wichtige Impulsgeber, damit aus der Zukunftsmusik des leisen Surrens bald ein Großorchester elektrischer Nutzfahrzeuge wird.

SCHERM Gruppe

1972 aus einem Landhandelsbetrieb in Karlskron bei Ingolstadt hervorgegangen, hat sich die SCHERM Gruppe zum international agierenden Systemdienstleister mit 14 Standorten und rund 2.000 Mitarbeitern entwickelt. Das familiengeführte Unternehmen ist heute in den Bereichen Logistik, Transporte, Immobilien und Services tätig. Der Automotivebereich bedient eine Vielzahl von Fahrzeugherstellern, darunter auch die oberbayerischen Konzernnachbarn BMW und Audi. Bei SCHERM kommen rund 500 eigene Transportfahrzeuge zum Einsatz. Moderne, umweltschonende Technologie und ein Maximum an Sicherheit sind Kernziele der Firmenphilosophie.

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