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Text: Ralf Klingsieck
Fotos: Ralf Klingsieck
Die Gründer von Urbismart sind alle über 50 Jahre alt und bezeichnen ihr Unternehmen deshalb selbst als „Start-up alter Herren“. Gerade aufgrund ihrer Erfahrungen in Transport und Logistik, Digitalisierung und Lagerautomatisierung kam ihnen die Idee, Citylogistik mithilfe künstlicher Intelligenz zu optimieren.
Hubs am Stadtrand
Das Geschäftsmodell von Urbismart: „Wir kaufen Transport und verkaufen ihn an die Verlader – von der Differenz leben wir“, so Rival. „Wir steuern alles so, dass der Logistiker optimal und damit rentabel agieren kann und der Verlader möglichst geringe Kosten hat. Dafür fassen wir bei den beteiligten Verladern die anfallenden Liefermengen zusammen, suchen die besten Wege zu den zu beliefernden Kunden und sorgen für eine optimale Auslastung der Lkw.“ In Hubs am Stadtrand erfolgt dann entweder Cross Docking, oder die Lieferungen werden durch das Zusammenführen der B2B- und der B2C-Sendungen detailliert vorbereitet. Damit gewinnen die Transporteure einen Teil jener Lieferungen zurück, die heute noch Expressgutunternehmen oder der Post anvertraut werden. Und so erhöht sich die Effizienz des Fahrers, der in der entsprechenden Straße ausliefert – zumal er auf dem Rückweg im leeren Lkw Rücksendungen, Wechselbehältnisse, Kleiderbügel sowie Kartons zum Recycling mitnimmt.
Konkret bedeutet das: Lastzüge legen den Weg von den Großlagern bis zu Cross-Docking-Hubs am Stadtrand zurück. Sie beladen dort jeweils nur ein Fahrzeug mit allen Lieferungen für eine Straße im Stadtzentrum – sowohl jenen, die in Läden gebracht werden, als auch Paketen für private Internetkunden. Pro Straße gibt es dann also nur noch einen Liefer-Lkw. Im Gegenzug sollen die Behörden für das Fahrzeug einen Parkplatz sichern, von dem aus beliefert werden kann. Solange er dort steht, macht der Lkw auch keinen Lärm und gibt keine Abgase ab. „Wir brauchen eine dynamische Optimierung in Echtzeit“, erläutert Jean-Paul Rival. „Da hat man dann auf der einen Seite Hunderte Verlader und auf der anderen Seite Hunderte von Städten. Dazwischen gibt es Tausende von Transporteuren und Zehntausende von Empfängern. Das ist Big Data – eine Datenflut, die sich ständig ändert und schnelles Reagieren erfordert.“ Es ergeben sich laufend neue Situationen, wenn Bestellungen geändert werden, ein Lkw defekt oder ein Fahrer krank ist, wenn die aktuelle Verkehrssituation oder das Wetter die Berechnung der Fahrten über den Haufen wirft. „Diese Masse an Informationen und Daten kann keine herkömmliche Software mehr bewältigen, geschweige denn schaffen das Menschen vor ihrem Bildschirm. Hier musste ein starker Motor her – und genau darin sehen wir die Rolle der künstlichen Intelligenz.“
Bedarf und Leistungen bündeln

»Wenn das Zusammenspiel verschiedener Verlader, Dienstleister und Lieferkanäle optimal organisiert ist, dann gewinnen alle.«
Jean-Paul Rival, Urbismart
Test in Bordeaux
Mit einem mehrmonatigen Versuch in Bordeaux wurde das Konzept praktisch erprobt und weiter verbessert. „Die beteiligten Unternehmen waren durchweg begeistert“, berichtet Rival. Für die Auslieferung im Stadtzentrum hat man mit dem Karosseriebauer Libner zusammengearbeitet. Dieser hat ein kleines, elektrisch betriebenes Lieferfahrzeug entwickelt, das auf einem Lieferlastauto mitgeführt wird. Eine Palette mit Lieferungen wird auf einem Parkplatz nahe der Innenstadtstraße auf das Elektrofahrzeug geschoben, bevor dieses vom Lastwagen abgesetzt wird und die Auslieferung entlang der betreffenden Straße beginnt. Wenn die Palette leer ist, wird auf dem Lkw die nächste übernommen, und die Auslieferung geht weiter. Rival erklärt: „Mit dem Versuch in Bordeaux haben wir bewiesen, dass wir solche Lieferketten mit unterschiedlichen Verladern und unterschiedlichen Transporteuren steuern können.“
Bislang hat Urbismart aber immer noch eher virtuellen Charakter. Um sich als Akteur auf dem Markt zu positionieren, muss das Start-up eigene Büros, IT und entsprechendes Personal führen und eine möglichst große Zahl von Verladern und Transporteuren als Kunden gewinnen. „Für diesen Start in die Praxis brauchen wir zunächst mindestens 1,5 Millionen Euro“, räumt Rival ein. „Gegenwärtig sind wir noch auf der Suche nach Investoren.“