Text: Juliane Gringer
Fotos: BPW
Mit dem BAX hat BPW Bergische Achsen in Kooperation mit Paul Nutzfahrzeuge einen elektrisch angetriebenen 7,5-Tonner entwickelt – ein emissionsfreies Serienfahrzeug, das blitzschnell lädt, locker 200 Kilometer weit ohne Zwischenladung fährt und drei Tonnen Nutzlast aufnimmt.
Ab Frühjahr 2022 wird er erhältlich sein. Markus Schell, persönlich haftender geschäftsführender Gesellschafter von BPW, erklärt im Interview mit motionist, wie das Projekt entstanden ist, welches Team dafür am Start war und was der BAX auf der letzten Meile bewirken kann.
Dieser elektrische 7,5-Tonner ist nachhaltig, wirtschaftlich und leistungsstark. Er reduziert den CO2-Ausstoß erheblich, ebenso die Lärmemission: Da der BAX sehr leise fährt, trägt er nicht nur dazu bei, das Grundrauschen des Verkehrs in einer Stadt abzuschwächen, sondern ermöglicht Spediteuren auch, neue Konzepte umzusetzen – etwa die Anlieferung von Waren zu Randzeiten. Wenn der Lieferverkehr morgens um 9 Uhr seine Arbeit schon erledigt hat und wieder aus der Stadt rausgefahren ist, bleibt mehr Platz für den Individual- und Berufsverkehr, und es gibt weniger Staus. Von den 3,8 Milliarden Tonnen Waren, die jährlich über Deutschlands Straßen transportiert werden, bewegen sich zwar nur 300 Millionen Tonnen in der Innenstadt. Dort werden aber in den nächsten Jahrzehnten die meisten Veränderungen passieren, unter anderem durch Regularien zum Schadstoffausstoß. Deshalb brauchen wir vor allem in den Innenstädten neue, innovative Lösungen und Ideen für den Transport. Wir waren die Ersten, die die Achse zum neuen Motorraum gemacht haben: Der BAX ist schon heute emissionsfrei unterwegs, und das auch noch kostengünstig. Eine Zeitung hat geschrieben, dass man diesen Truck für 18,90 Euro „vollgetankt“ bekommt, und das stimmt. Mit Diesel schafft man das nicht.

»Diesen Truck bekommt man für 18,90 Euro ›vollgetankt‹. Mit Diesel schafft man das nicht.«
Markus Schell, persönlich haftender geschäftsführender Gesellschafter von BPW
Als BPW Bergische Achsen unterstützen wir unsere Kunden dabei, Waren und Güter von A nach B zu bringen, und das sicher und effizient entlang der gesamten Transportkette. Dazu gehört die Belieferung auf der letzten Meile in den Innenstädten, und die stand 2016 sehr stark im Fokus der Öffentlichkeit, genau wie das Thema Elektromobilität. Wir haben beides verknüpft, es kam noch eine pfiffige technische Idee dazu, und so haben wir beschlossen, auf der IAA damals eine kleine Studie vorzustellen. Unser Kerngeschäft sind Achsen: Seit 120 Jahren entwickelt, produziert und vertreibt die BPW Gruppe starre Achsen. Mit eTransport haben wir sie zur elektrisch angetriebenen Achse weiterentwickelt. Die Spediteure unter unseren Kunden haben uns immer wieder darauf angesprochen, ob wir als Innovationstreiber die Achse nicht auf breiter Ebene in den Innenstadtverkehr bringen können. Doch es war noch kein Fahrzeughersteller bereit, diesen Weg mitzugehen. So kam es dazu, dass wir ihn gemeinsam mit Paul Nutzfahrzeuge selbst gegangen sind. Wir haben uns neben der Achse auch mit weiteren Bauteilen wie Invertern und Batterien beschäftigt sowie mit passender Steuerungssoftware – das ist eines der herausforderndsten Themen im Fahrzeugbau – und konnten auf diesem Gebiet in kurzer Zeit eine enorme Kompetenz aufbauen.

Die Antriebstechnik sitzt nicht vor oder unter dem Fahrer, sondern in der Hinterachse: Die Antriebsachse von BPW erzeugt mit zwei E-Motoren ein Drehmoment von jeweils 3.290 Newtonmetern und damit kraftvolle Fahrleistungen.
Auf jeden Fall Mut, Durchhaltevermögen und Geduld. Uns kam zupass, dass wir als Familienunternehmen langfristig denken. Denn die Aufwendungen für die Entwicklungen waren enorm, und wir mussten uns jeden Monat neuen Herausforderungen stellen. Ein Beispiel: Wir haben den Motor in den ungefederten Teil des Fahrzeugs verlegt und mussten erst einmal herausfinden, ob und wie das funktionieren kann. Unsere Versuchsstände in Wiehl sind auf Hochtouren gelaufen, um in etlichen Rütteltests die optimale Auslegung zu finden. Dabei konnten wir jedoch sehr gut auf unser Achs-Know-how bauen. Zusätzlich mussten wir neue Qualifikationen aufsatteln, von Hochvolt- über Motortechnologie bis hin zu Software-Programmierung.
»So eine Entwicklung braucht Mut, Durchhaltevermögen und Geduld. Uns kam zupass, dass wir als Familienunternehmen langfristig denken.«
Markus Schell, persönlich haftender geschäftsführender Gesellschafter von BPW
Wir haben eine kleine Einheit mit 35 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gebildet. Etwa zwei Drittel von ihnen sind interne Nachwuchskräfte, rund ein Drittel haben wir von extern dazu geholt, zum Beispiel Fachleute für Software-Programmierung. Wir haben alle bewusst jenseits der BPW Mauern arbeiten lassen, denn sie sollten abseits von unserem Stammbusiness wie ein Start-up agieren können; sie haben agil gearbeitet und standen eng in Kontakt mit mir. Inzwischen ist das Team zu uns nach Wiehl gezogen, und die Verschmelzung tut beiden Seiten gut. Die hohe Dynamik und die frühe Eigenverantwortlichkeit der Teammitglieder sind etwas, wovon BPW lernen kann: Vom Mechaniker bis zum Vertriebsleiter pflegen sie ein stark unternehmerisches Denken.
Es sind 30 Fahrzeuge in den Förderaufruf des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur gegangen, der Ende September 2021 ausgelaufen ist. Für den nächsten Aufruf erwarten wir die doppelte Menge. Der BAX weckt vor allem bei Stückgutlogistikern Interesse, die damit Waren wie Möbel, Hotel-Textilien oder Mode in den Innenstädten zustellen wollen. Eine Spedition aus der Türkei hat mich angesprochen, sie sucht ein emissionsfreies Fahrzeug, mit dem sie die Feinverteilung für Automobilhersteller organisieren kann. Auch Kommunen haben Kontakt zu uns aufgenommen. Zudem fragen Fahrzeugaufbauer an, um den BAX beispielsweise als ein Müllfahrzeug aufzubauen. Die Einsatzbereiche decken die Vielfalt des innerstädtischen Verkehrs ab – dort müssen eben nicht nur Päckchen geliefert werden, und dann kommt oft der 7,5-Tonner ins Gespräch.

Elektromobilität wird seit Jahren in all ihren Facetten stark diskutiert. Im Nutzfahrzeugbereich gibt es immer vier Anforderungen, für die wir beim BAX sehr gute Lösungen gefunden haben. Erstens die Reichweite: Wir haben uns auf die Innenstadtlogistik konzentriert und über Monate hinweg die Strecken gemessen, die Logistiker in der City zurücklegen. Nun bieten wir den BAX mit zwei Batteriesätzen an: Mit der „Long Range“ fährt er 200 Kilometer weit, mit der „Medium Range“ 130 Kilometer. Diese Reichweiten sind zuverlässige Werte: Wir haben sie im realen Testeinsatz bei batteriezehrenden Wintertemperaturen gemessen. Der zweite Punkt ist die Ladeinfrastruktur. Im Verteilerverkehr ist das Fahrzeug jeden Abend am selben Ort, dort kann die Infrastruktur geschaffen werden. Nummer drei: die Nutzlast. Die ersten Modelle von umgebauten Elektrolastern haben durch die Batterien mindestens eine Tonne Nutzlast verloren. Beim BAX kann man drei Tonnen zuladen – das ist selbst im Vergleich mit entsprechenden Diesel-Lkw enorm. Viertens schließlich die Wirtschaftlichkeit: Das Förderprogramm des Bundesministeriums gibt hier eine sehr gute Starthilfe, der BAX ist aber auch in puncto Energie- und Instandhaltungskosten einem Diesel-Lkw weit überlegen.
»Die Reichweiten von 130 oder 200 Kilometern sind zuverlässige Werte: Wir haben sie im realen Testeinsatz bei batteriezehrenden Wintertemperaturen gemessen.«
Markus Schell, persönlich haftender geschäftsführender Gesellschafter von BPW
Unsere Kunden kennen die BPW Gruppe dafür, dass sie Lösungen für die gesamte Transportkette anbietet und regelmäßig Innovationen hervorbringt: Wir waren früh mit Telematik unterwegs, haben Produkte wie den iGurt zur intelligenten Ladungssicherung entwickelt. Wenn man innovativ sein will, muss man einfach Pionier sein, und das ist immer wieder unser Antrieb.
Auf keinen Fall, das ist überhaupt nicht unser Interesse: Wir sind und bleiben Zulieferer. Die Fahrzeughersteller haben sich bisher auf die Langstrecke konzentriert. Mit dem BAX wollen wir einfach zeigen, welche Vorteile eine achsintegrierte Lösung bietet und dass Elektromobilität sich beim 7,5-Tonner sehr gut umsetzen lässt. Fahrzeughersteller können somit schnell eigene Fahrzeuge mit einem erprobten System elektrifizieren.