Ein Haus zieht um

Lesezeit: ca. 4 Minuten 
Text: Juliane Gringer 
Fotos: Christian Schürmann

Die Schwerlastprofis der August Alborn GmbH & Co. KG haben in Dortmund ein außergewöhnliches Projekt durchgeführt: Sie transportierten das Hoesch-Haus, einen stählernen Bungalow aus den 1960er-Jahren, an seinen neuen Standort an der Westfalenhütte.

29. November 2022, 23 Uhr: Man sieht John Eckhoff, beim Schwerlastunternehmen August Alborn verantwortlich für den technischen Außendienst, die Anspannung an. Er schaut fragend zum Fahrer des Lkw: „Passt das, Jörg?“ Sie sind erst wenige Hundert Meter gefahren, direkt in der ersten Kurve steht eine Mittelinsel im Weg. Fahrer Jörg Walenzik steigt aus, schaut sich alles genau an, wägt ab – und hebt schließlich den Auflieger hydraulisch um einige Zentimeter an, um das Hindernis zu passieren. „Passt!“, ruft er. John Eckhoff lächelt. Es kann weitergehen.

Zwei Wochen zuvor: Damit das Hoesch-Haus von seinem bisherigen Standort in der Lütgenholthauser Straße in Dortmund abtransportiert werden kann, wird es in zwei Teile geteilt. Die sind 13 und 16 Tonnen schwer, acht und zwölf Meter lang und teilweise bis zu acht Meter breit.

29. November 2022, 9.25 Uhr: Seit 6 Uhr morgens haben John Eckhoff und sein Team den 180 Tonnen Autokran aufgebaut, der die Hausteile sicher anheben soll. Ab 9.30 Uhr wird der erste Teil angeschlagen und verladen. Das ist der wohl kritischste Moment dieses Projekts: „Wir müssen die Seile des Krans an sechs Punkten anlegen, um das gesamte Hausteil anheben zu können. Deshalb brauchen wir sehr lange Seile und müssen den Ausleger weit ausschieben.“ Je weiter der Kran entfernt ist, desto größer und stärker muss er sein. Und trotz aller Planung sehe man erst im Moment des Anhebens, ob wirklich alles funktioniert, so Eckhoff. Zum Glück geht hier alles gut: Nach 50 Minuten ist Teil 1 sicher auf seinem Fahrzeug gelandet, gut eine weitere Stunde später auch das zweite.

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29. November 2022, 22 Uhr: Der eigentliche Transport startet erst jetzt, am späten Abend. Die Straßen bis zum Ziel wurden gesperrt, eine Baustelle geräumt, Straßenbeleuchtungen demontiert, und Polizeibegleitung sichert alles ab. John Eckhoff ist angespannt, wie immer, wenn es endlich losgeht: „Diese Anspannung ist gut. Sie ist wichtig, weil man dadurch konzentriert bleibt.“

Die erste Etappe der rund zwölf Kilometer langen Strecke bis zum neuen Standort des Hauses führt durch das Wohngebiet, in dem der Bungalow bisher stand. Von der Lütgenholthauser Straße geht es über „Am Hombruchsfeld“ auf die Zillestraße. Schaulustige stehen am Straßenrand und bestaunen den Transport der zwei Hausteile. Rund 200 Halteverbotsschilder waren zuvor über die gesamte Distanz aufgestellt worden. „Die meisten davon standen hier auf dem ersten Abschnitt“, erklärt Eckhoff. „Wir haben vorher alles genauestens ausgemessen und konnten das Wohngebiet nur durchfahren, indem wir die Gehwege komplett mitgenutzt haben. Die Überbreite ist jeweils über die Fußwege geschwenkt.“ Das Alborn-Team stößt dann doch noch auf zwei Pkw, die am Straßenrand geparkt sind. Die Halter sind aber zum Glück schnell ausfindig gemacht und fahren ihre Autos direkt weg.

Vor Ort dabei ist auch Barbara Woerner: Sie ist in dem Hoesch-Haus aufgewachsen, hat darin bis zu ihrem Abitur gelebt. 56 Jahre lang hat der Bungalow L141, ein Fertighaus des Stahlunternehmens Hoesch AG mit 141 Quadratmeter Grundfläche, in der Siedlung gestanden. Barbara Woerners Vater war Ingenieur bei Hoesch und hat ihn mitentwickelt. Bis zu seinem Tod vor rund zehn Jahren lebte er selbst in dem gut gepflegten Stahlbau. Viele Details machten das besondere Haus aus: So sind beispielsweise die Wände abwaschbar, und man kann daran Bilder mit Magneten statt Nägeln befestigen. Bekannte hätten das Gebäude häufiger als „Blechbüchse“ verspottet, berichtet Barbara Woerner. Doch nicht nur sie verbindet viele positive Erinnerungen damit, auch der historische Wert des Hauses ist hoch. Die Familie hat das optimal erhaltene Stück deshalb dem Förderverein „Freunde des Hoesch-Museums e. V.“ geschenkt, der es für die Öffentlichkeit zugänglich machen will. Ab Ende 2023 wird das Haus am neuen Standort besuchsbereit sein, mit typischer Einrichtung der 1960er-Jahre.

Das Unternehmen Alborn führt seit rund 130 Jahren Schwertransporte durch und bietet Hebeleistung, Transport und Montage aus einer Hand an. Damit deckt das Team einen sehr großen Bereich im Spezialtransport ab. „Wir planen Projekte gerne gemeinsam mit unseren Kundinnen und Kunden“, so Eckhoff. „Wir beraten sie umfänglich, wie ein Projekt am besten bewältigt werden kann. Vor allem der Transport eines historischen Gebäudes wie hier bringt immer noch besondere Herausforderungen mit sich“, wie John Eckhoff erzählt. „Wenn dabei etwas beschädigt wird, sind die betroffenen Teile in der Regel unwiederbringlich – oder der Originalzustand ist eben verloren. Deshalb ist für uns besonders wichtig, dass wir nirgendwo anecken und dass auch sonst keine Schäden passieren.“

30. November 2022, 0 Uhr: Außerhalb der Wohnsiedlung geht es etwas schneller voran. John Eckhoff hat das Tempo aus Erfahrung jedoch grundsätzlich auf 40 Kilometer pro Stunde gedrosselt. „Im Pkw kommt einem das langsam vor, aber wenn das Fahrzeug fast acht Meter breit ist, ist das anders“, so Eckhoff. „Bei diesem Tempo kann man besser auf Hindernisse oder Dinge, die plötzlich auftauchen, reagieren.“ Auf dem Weg in den Dortmunder Norden passiert nichts Unvorhergesehenes, der Transport rollt mühelos Richtung B236. An der Auffahrt zur Bundesstraße waren zuvor die Leitpfosten abmontiert worden, um ausreichend Platz zu schaffen. Auch den rund 1,4 Kilometer langen Tunnel „Wambel“ auf der Schnellstraße kann der Transport sicher passieren, alles passt wie vorher berechnet.

Dazu hat die gute Vorbereitung des Projekts beigetragen: Über mehrere Monate hinweg hat das Team Zeichnungen angefertigt, Höhen und Breiten ausgemessen und kalkuliert, die passenden Fahrzeuge und Hebegeräte ausgewählt – im Büro und bei zahlreichen Vor-Ort-Terminen. Digitale Tools können die Arbeit zwar unterstützen, aber bei speziellen Aufgaben wie diesen sind vor allem Kopfarbeit und Handwerk gefragt. „Wenn alles klar ist, beantragen wir zu guter Letzt die Schwertransportgenehmigung, um mit unseren Fahrzeugen im öffentlichen Verkehr unterwegs sein zu dürfen“, erklärt John Eckhoff.

Das Hoesch-Haus wird mit zwei Tiefladern von Scheuerle bewegt. Die hydraulisch gelenkten BPW Achsen sind aus Sicht von John Eckhoff ein wichtiger Baustein für den Erfolg dieses Transports: „BPW Achsen zeichnen sich durch hohe Tragfähigkeit bei geringem Eigengewicht und kompakter Bauweise aus – genau das ist für uns entscheidend. Und die hohe Qualität schützt vor Ausfällen, wir können zuverlässiger arbeiten. Da wir in der Regel nachts fahren, können wir uns keinerlei Ausfälle oder Standzeiten leisten.“ Nach drei Stunden Fahrt kommt der Konvoi schließlich in der Rüschebrinkstraße an Tor 4 der Westfalenhütte an. Der wichtigste Teil ist geschafft!

30. November, 13 Uhr: Nachdem das Team einige Stunden schlafen konnte, absolviert es nun die letzten Meter über das Gelände zum finalen Standort bei Tageslicht. Gegenüber dem Hoesch-Museum steht das neue Fundament bereit. Jetzt wird es noch einmal besonders spannend: Der Kran hebt nacheinander beide Hausteile wieder vom Tieflader – und scheinbar schwerelos gleiten sie hinüber zu ihrem neuen Standort. Dort werden sie präzise abgesetzt, Zentimeter für Zentimeter. Alles geht gut: Endlich ist das Hoesch-Haus wieder komplett – unversehrt und bereit für einen neuen Lebensabschnitt.

Dieser Transport war auch für John Eckhoff eine einmalige Erfahrung. Auch wenn er schon seit 30 Jahren im Beruf ist: „Im Spezialtransport sind die Aufgaben immer wieder neu – und für jede dieser Aufgaben müssen wir umsetzbare und sichere Lösungen finden. Das hält es spannend.“ Als das zweite Teil schließlich abgesetzt ist, macht sich Erleichterung breit. Ein Handschlag mit dem Team, begleitet von befreitem Lachen und sichtbarer Freude bei den Beteiligten, zeigt, wie viel Herzblut in so einem Transport steckt.

Der Hoesch-Bungalow

Das Montanunternehmen Hoesch baute ab 1962 in Dortmund-Hombruch eine Siedlung mit Fertighäusern aus „Platal“ – einem Leichtprofil aus PVC-beschichtetem Stahlblech. Aus heutiger Sicht visionär: Die Bungalows hatten ein modulares Montagesystem und eine moderne Klimatisierung, bestanden aus innovativen Werkstoffen, und die Architektur war einzigartig. Doch der Erfolg blieb aus. Nur rund 200 der metallenen Objekte wurden gebaut und die Produktion bereits 1969 wieder eingestellt. Wahrscheinlich war unter anderem der Preis zu hoch: Das nun umgesetzte Haus kostete bei seinem Bau 1966 rund 123.000 D-Mark.

Das Hoesch-Museum

Um an die Bedeutung der Stahlindustrie für das Ruhrgebiet zu erinnern, wurde das Hoesch-Museum auf dem Gelände der Dortmunder Westfalenhütte eingerichtet. Im Zentrum steht die Geschichte der Hoesch AG. Das Museum zeigt Exponate aus 160 Jahren Stahlgeschichte. In einem „3-D-Stahlwerk“ können Besucherinnen und Besucher die Atmosphäre so eines Werks mit seiner beeindruckenden Licht- und Geräuschkulisse über eine 3-D-Brille erleben.

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