Text: Peter Büttner
Fotos: Rudi Schubert
Berufskraftfahrer, die während einer Fahrt medizinische Hilfe benötigen, wissen oft nicht, wie sie einen Arzt in ihrer Nähe finden, der sie kurzfristig behandeln kann. Und wo lässt sich während des Arztbesuchs der 40-Tonner abstellen? Die Initiative DocStop hat ein Netzwerk aufgebaut, das den Lkw-Fahrern in solchen Situationen schnell und unkompliziert Hilfe vermittelt.
Joachim Fehrenkötter kann sich noch gut erinnern: Als er einmal als Student für die elterliche Spedition Ware in die Eifel lieferte, plagte ihn eine plötzliche Grippe. Das Ausladen fiel ihm schwer, die Glieder schmerzten plötzlich und der Schweiß lief. Doch er biss die Zähne zusammen, klemmte sich wieder hinters Steuer und fuhr die rund 300 Kilometer zurück ins Münsterland. Heute weiß der 51-Jährige, dass das keine gute Idee war: „Nur ein gesunder Fahrer ist ein sicherer Fahrer“, erklärt der Spediteur. Es wäre sicher gut gewesen, wenn er direkt einen Arzt aufgesucht hätte. Doch unterwegs einen zu finden und den Termin zu organisieren, ist für einen Berufskraftfahrer alles andere als einfach: Fern von ihrem Wohnort wissen sie im Krankheitsfall meist nicht, wo sich die nächste Praxis befindet. Auch ein geeigneter Parkplatz ist für einen 40-Tonner nicht immer in der Nähe. Und lange Wartezeiten sind für einen Lkw- oder Busfahrer nur schwer in den engen Zeitplan einzubauen.
Die Initiative DocStop hilft in genau solchen Situationen. In den vergangenen zehn Jahren hat der Verein ein Netzwerk von mehr als 700 Ärzten, Zahnärzten und Kliniken aufgebaut, die Lkw-Fahrer im Krankheitsfall kurzfristig behandeln. Raststätten, Autohöfe und Speditionen, bei denen die Fahrer während des Arztbesuchs ihren Lkw sicher parken können, gehören ebenfalls zum Netzwerk, das sich vor allem auch in Dänemark, Österreich und der Schweiz etabliert hat.



»Schmerzen können die Fahrtüchtigkeit unter Umständen weitaus mehr beeinträchtigen als Alkohol am Steuer.«
Joachim Fehrenkötter
Joachim Fehrenkötter hat die Spedition inzwischen längst von seinem Vater übernommen und trägt heute selbst die Verantwortung für rund 180 Berufskraftfahrer, die die rund 150 firmeneigenen Lkw lenken. Der Spediteur gehört zu den frühen Unterstützern von DocStop, seit einigen Jahren ist er Vorsitzender der Initiative. Aus Gesprächen mit Fahrern weiß er, dass das Angebot gut ankommt – auch wenn er sich wünschen würde, dass es niemand in Anspruch nehmen müsste. Doch es kann eben immer passieren, dass jemand unterwegs plötzlich von einer Erkältung, Rücken- oder Zahnschmerzen heimgesucht wird. „Wir reden nicht von Notfällen“, schildert er. Doch von Erkrankungen, die die Fahrer ganz erheblich belasten können: „Schmerzen können die Fahrtüchtigkeit sehr beeinträchtigen – unter Umständen sind die damit verbundenen Risiken sogar weitaus höher als die bei Alkohol am Steuer.“ Fehrenkötter und seine Mitstreiter möchten deshalb bei den Berufskraftfahrern die Hemmschwelle senken, medizinische Hilfe in Anspruch zu nehmen – und damit verhindern, dass Fahrer mit körperlichen Beschwerden weiterfahren oder sich selbst medikamentieren, bis sie am Heimatort angekommen sind. „Wir haben ihnen gegenüber eine Fürsorgepflicht“, so Fehrenkötter.
DocStop nennt nächste Praxis
Wird ein Fahrer krank, erfährt er unter einer europaweit einheitlichen Rufnummer, wo sich die nächste Praxis auf seiner Route befindet. Die Ärzte und Krankenhäuser im Netzwerk kommunizieren in allen gängigen europäischen Landessprachen. Ihre Standorte und Kontaktdaten sind auch auf der Website von DocStop sowie in der „Fernfahrer“- und in der „Autohof“-App verzeichnet. Die Resonanz auf das Angebot ist groß: Rund 5.000 Lkw-Fahrer nutzen pro Jahr den Service und nehmen medizinische Hilfe in Anspruch. Das DocStop-Team, das hinter dem Angebot steht, arbeitet komplett ehrenamtlich, und der Vermittlungsservice ist für die Fahrer kostenlos. Die Ärzte, die DocStop unterstützen, haben eine kurzfristige Behandlung zugesagt. „Einige von ihnen sind früher selbst Lastwagen gefahren und engagieren sich aus ideellen und moralischen Gründen“, weiß Fehrenkötter. Die Behandlungskosten rechnen die Mediziner wie gewohnt direkt mit der Krankenkasse, über einen Auslandskrankenschein oder mittels Barzahlung ab.
Autobahnpolizist rief Initiative ins Leben
»Über Technik macht man sich bislang viele Gedanken, über die Gesundheit weniger.«
Joachim Fehrenkötter

»Über Technik macht man sich bislang viele Gedanken, über die Gesundheit weniger.«
Joachim Fehrenkötter
Engagement für die Gesundheit der Fahrer kann nicht nur den Beruf attraktiver machen, sondern hat natürlich auch wirtschaftliche Aspekte: „Fällt ein Fahrer beispielsweise plötzlich in München aus, muss jemand anders dorthin, der die Fahrt fortsetzen kann“, berichtet Fehrenkötter. Deshalb appelliert er, den Blickwinkel zu verändern: „Über Technik macht man sich bislang viele Gedanken, über die Gesundheit weniger.“ Der Unternehmer hat deshalb unter anderem das Thema Ernährung in die Fahrerschulungen aufgenommen. Denn die Möglichkeiten für die Fahrer, während der Touren auf ihre Gesundheit zu achten, haben sich verbessert: Auto- und Rasthöfe bieten heute meist auch gesunde Kost an. Fahrzeughersteller unterstützen ebenfalls: Daimler hat mit der Sporthochschule Köln ein Fitnessgerät entwickelt, das die Fahrer in Pausen in ihrem Führerhaus benutzen können. Das „Top-Fit-Set“ besteht aus einem Board aus Holz und Übungsbändern mit unterschiedlichen Widerständen, die vor allem den Rücken stärken und entlasten können. Übungsvideos zeigen, wie man damit trainieren kann. Joachim Fehrenkötter ist von den Effekten, die auch wissenschaftlich nachgewiesen wurden, sehr angetan: „Einer unserer Fahrer hat mit dem Gerät gearbeitet und seine Ernährung umgestellt. Insgesamt hat er so 20 Kilogramm abgenommen.“