Text: Juliane Gringer
Fotos: Fotolia – peshkov, 2b AHEAD ThinkTank – Roman Walczyna, privat, Nikolay Kazakov
Der Mensch ist von Natur aus neugierig: Er will Technologien erforschen, Abläufe optimieren und sich wirtschaftlich weiterentwickeln. Faszination ist ein wichtiger Impuls für Veränderung – und damit Triebfeder des Fortschritts.
Angeborene Neugier
„Wenn etwas Ungewöhnliches im Leben passiert, ist es wahrscheinlicher, dass man davon fasziniert ist“, erklärt Dr. Jochen Roose vom Deutschen Institut für Urbanistik. Er betreibt die empirische Erforschung von sozialem Wandel und ist der Frage nachgegangen, warum uns manche Dinge so stark faszinieren, dass wir zum Fan werden – uns diesen Dingen also auf lange Zeit verschreiben. Der ungewöhnliche Moment, den er als möglichen Auslöser von Faszination beschreibt, kann eine Reise sein, der Auftritt einer Band oder auch ein Werbespot für ein Elektrogerät. „Was genau dabei passiert, bleibt im Kern im Dunklen“, sagt der Forscher. „Aber am Anfang so einer leidenschaftlichen Beziehung zu einem Objekt steht so gut wie immer ein faszinierendes Erlebnis.“
Fans investieren oft viel Zeit und mitunter auch Geld: Sie sammeln zum Beispiel Erinnerungsstücke, reisen den Rolling Stones hinterher oder besuchen alle Auswärtsspiele von Borussia Dortmund. Oder sie bleiben einer Marke, einem Unternehmen treu, beispielweise Apple, und kaufen von der Smartwatch bis zum Handy immer wieder dessen neueste Produkte. Dabei spricht Roose von Erlebnismanagement: „Wenn ich mich intensiv mit etwas beschäftige, dann wird das Erlebnis auch intensiver“, erläutert er. „Wer etwa Fan einer Fußballmannschaft ist, fiebert im Stadion viel stärker mit.“
Technologie schenkt Zeit
Etwa zwei Stunden lang ist Sven Gábor Jánszky täglich mit seinem Tesla auf deutschen Autobahnen unterwegs. Da das Auto dort halbautonom fährt, kann er als Fahrer das Lenkrad loslassen, sich zurücklehnen, E-Mails beantworten und telefonieren. „Das war am Anfang ungewohnt, aber nach ein paar Wochen habe ich mich daran gewöhnt“, erzählt er. „Und dann habe ich darüber nachgedacht, dass mir diese Technologie also jeden Tag rund zwei Stunden Zeit schenkt. Rechnet man das hoch, dann gewinne ich damit in einem Jahr rund einen ganzen Monat Zeit – die wertvollste Ressource, die wir als Menschen haben. Das fasziniert mich: dass uns Technik genau diese Ressource schenken kann. Das könnte in Zukunft sehr viel mehr möglich machen.“ Zwar seien selbstfahrende Autos derzeit noch nicht ausgereift. „Aber bald werden sie das sicher sein“, ist Jánszky überzeugt. „Und dann werden auch weniger Menschen im Straßenverkehr sterben: Heute sind 92 Prozent der Unfälle auf menschliches Versagen zurückzuführen und acht Prozent auf technisches. Technisches Versagen wird weiterhin passieren. Aber die 92 Prozent menschliches Versagen – diese Zahl wird sicher sinken.“
»Menschen, die sich infrage stellen und faszinierenden Ansätzen folgen, bestimmen den Lauf der Welt.«
Sven Gábor Jánszky

Energie im Überfluss
Zukunftsforscher entwerfen Szenarien, wie solche Entwicklungen aussehen könnten und was sie für Wirtschaft, Politik und Gesellschaft bedeuten. Jánszky empfiehlt Unternehmen der Logistikbranche, das ebenfalls kontinuierlich zu tun: Sie sollten sich hinterfragen, was Megatrends wie Digitalisierung oder Automatisierung für ihr eigenes Geschäft bedeuten. „Angesichts der aktuellen Umwälzung in der Wirtschaft würde ich so gut wie jedem Akteur dazu raten, neben ein bestehendes Geschäft innovative Ideen zu stellen, die den bisherigen Kern durchaus komplett infrage stellen dürfen. Wie Steve Jobs gesagt hat: Wenn du dich nicht selbst angreifst, wird es jemand anders tun.“
Jánszky denkt etwa an den Ansatz, den reinen Gütertransport kostenlos anzubieten. „Aus den dabei gewonnenen Daten könnten Zusatzleistungen generiert werden, aus denen neue Geschäftsmodelle entstehen.“ Er sieht diese Fähigkeit, sich infrage zu stellen und faszinierenden Ansätzen zu folgen, als ganz wichtigen Impuls für Fortschritt und Weiterentwicklung. „Ich denke, die Menschen, die so agieren, bestimmen den Gang der Welt.“ Der Zukunftsforscher erlebt immer wieder, dass Faszination meist aus kleinen Ideen geboren wird. Und dass das konkrete Bild, das mit einer Faszination oft verbunden ist, ein ganz starker Motor für Innovationen sein kann.
1200 Kilometer pro Stunde Schnell
Das Transportsystem besteht aus einem Tunnel und dem Fahrzeug, das mit Elektroantrieb sicher und sauber fährt. Es wird durch ein Niederdruckrohr langsam beschleunigt, auch damit die Fahrgäste die Reise gut verkraften. Die Konstrukteure versprechen, dass man sich während der Fahrt so fühlt wie bei der Reise im Flugzeug – nur ohne Turbulenzen. Während der Fahrt schwebt Hyperloop dank Magnettechnik über dem Gleis und der sehr geringe Luftwiderstand ermöglicht die hohen Geschwindigkeiten. Das System soll vollständig autonom agieren, und da es geschlossen ist, kann es nicht durch das Wetter beeinflusst werden. Geplant sind vorerst zehn Routen, unter anderem in den USA, Kanada und Indien. Im französischen Toulouse baut HyperloopTT bereits an einer 320 Meter langen, geschlossenen Teststrecke.
»Faszination ist mein wichtigster Antrieb.«
Alexander Zosel

Fliegende Taxis für jedermann
Sein Unternehmen vereint den Geist eines Start-ups mit deutscher Gründlichkeit. „Wir arbeiten natürlich intensiv an vielen Aspekten des Themas, verkünden nach außen aber immer nur das, was wir wirklich schon können und was technisch möglich ist“, erklärt Zosel. Auch für ihn sind die Genehmigungen, die für die neue Technologie nötig sein werden, eine Herausforderung. Doch er bekommt von den Behörden sehr gutes Feedback: „Wir sind mit vielen Städten im Gespräch. Auch sie sind fasziniert von unserem Konzept, nicht zuletzt durch das hohe Sicherheitspotenzial, das es bietet.“ Es muss also nur noch die Bevölkerung überzeugt werden: „Nicht nur die Menschen, die mitfliegen werden, müssen die Lufttaxis akzeptieren, sondern auch alle, die es nicht nutzen.“ Dabei ist ihm wichtig: „Wir streben an, damit öffentlichen Nahverkehr zu ermöglichen. Es soll keine Technologie werden, die sich nur mit großem Budget nutzen lässt.“ Vielmehr sollen es fliegende Taxis sein für den Menschen, der in der Stadt von A nach B kommen muss.
Quantenphysik und Relativitätstheorie
Mehr über Quantenphysik zu erfahren, war für ihn auch die Motivation, ein Frühstudium an der Technischen Universität Dresden zu beginnen. Dabei können besonders motivierte Schüler bereits ab der neunten Klassenstufe an regulären Lehrveranstaltungen der Universität teilnehmen. Seit dem Beginn seines Frühstudiums unterscheidet Wolba nicht mehr zwischen Freizeit und Arbeitszeit: „Meine Arbeit ist das, was mich fasziniert. Für mich ist es ein Hobby wie für andere Fußballspielen.“

»Meine Arbeit ist das, was mich fasziniert. Für mich ist es ein Hobby – wie für andere das Fußballspielen.«
Benjamin Wolba
»Meine Arbeit ist das, was mich fasziniert. Für mich ist es ein Hobby – wie für andere das Fußballspielen.«
Benjamin Wolba

Völlig neue Ansätze entwickeln
In seiner Promotion beschäftigt er sich mit exotischen Formen von Magnetismus. „Faszination ist für mich ganz eng verbunden mit den Fragen, die ich mir stelle“, erklärt er. „Ich will einer Sache auf den Grund gehen, weil ich unbedingt herausfinden will, was dahintersteckt. Dieses Interesse entwickelt sich aber auch, wenn man sich intensiv mit einer Sache beschäftigt und dabei auf neue Themen stößt.“ Neugier ist seiner Meinung nach der Anstoß dafür. Für Wolba ist Faszination die Grundlage jeder Form des wissenschaftlichen Arbeitens – letztlich auch, um die damit verbundenen Schwierigkeiten zu meistern: „Eine wissenschaftliche Karriere bedeutet jede Menge Unsicherheiten und Papierkram. Wer da nicht von seinem Forschungsthema fasziniert ist, wird das nicht durchhalten.“
Ihn begeistern auch die Entwicklungen im Transport: „Sehr spannend finde ich beispielsweise, wie sich Elektromobilität in Zukunft entwickeln wird“, so der Jungforscher. Zudem seien etwa zur Batterietechnologie viele Fragen offen: „Wie speichert man Energie und stellt sie bereit – solche Herausforderungen begeistern mich.“ Er kann sich gut vorstellen, nach seiner Promotion in die Industrie zu gehen oder selbst ein Start-up zu gründen. „Physik ist die Grundlage für viele Themen, beispielsweise auch die Digitalisierung“, erklärt er. „Physiker und andere Wissenschaftler können hier wertvolle Beiträge leisten.“
Neue Mobilität kreieren
Alexander Zosel hat mit Volocopter die „Idee seines Lebens“ gefunden: „Wir machen doch jeden Tag etwas Neues“, so der Unternehmer. „Ich kann mir nicht vorstellen, noch einmal etwas ganz anderes anzufangen, und ich möchte das auch gar nicht, denn in meiner jetzigen Aufgabe steckt noch so viel drin. Wir kreieren eine neue Mobilität – das ist ein Prozess, der andauern wird und in dem noch ganz viele spannende Aspekte liegen.“