„Das ist genau die Technologie, die wir brauchen“

Lesezeit: ca. 4 Minuten
Text: Juliane Gringer
Fotos: AdobeStock AA+W, StreetScooter GmbH

PODCAST

Im Podcast erläutert Prof. Achim Kampker, warum eine rasche Entwicklung der Brennstoffzelle für den Schwerlastverkehr so wichtig ist.

Deutschland solle sich nicht in lange Diskussionen über die Brennstoffzelle verstricken, sondern aktiv werden und diese alternative Antriebstechnologie schnell auf die Straße bringen – sonst verliere man ähnlich wie bei der Entwicklung der Elektromobilität wertvolle Zeit. Das mahnt Prof. Dr.-Ing. Achim Kampker an. Er leitet den Lehrstuhl für Production Engineering of E-Mobility Components (PEM) der RWTH Aachen und hat Streetscooter mitgegründet.

Die Bundesregierung fördert die Brennstoffzelle als alternativen Antrieb, vor allem im Fern- und Güterverkehr. Dieses Vorhaben hat sie auch in das Konjunkturpaket zur Eindämmung der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie integriert. Setzt Deutschland damit auf das richtige Pferd?

Prof. Achim Kampker: Definitiv ja. Wenn wir die Klimaziele erreichen wollen, führt kein Weg an der Brennstoffzelle vorbei, insbesondere im Schwerlastverkehr. Wir sollten deshalb unbedingt schneller agieren, weniger diskutieren und zügig vorangehen. Denn wenn ich gedanklich zehn Jahre zurückgehe, habe ich eine Art Déjà-vu: Damals haben wir uns auch bei der Batterie gefragt, ob sie eine erfolgversprechende Technologie sei. Ich saß damals in vielen Gremien, in denen diskutiert wurde, ob sich die Investition in Elektromobilität lohnt. Und bevor alle offenen Fragen, etwa zur Ladeinfrastruktur, geklärt wären, wollten wir nicht aktiv werden. Das erinnert mich an den zögerlichen Umgang mit der Brennstoffzelle jetzt – den halte ich für falsch. Dazu kommt, dass die Technologien gegeneinander ausgespielt werden.

Wer wird denn gewinnen – Brennstoffzelle oder Batterie?

Diese Frage ist für mich der falsche Ansatz, denn die Technologien stehen nicht in Konkurrenz. Sie ergänzen einander und können gemeinsam alle Probleme lösen, vor denen wir in der Mobilität stehen. Die Batterie ist optimal für das urbane Umfeld und für leichtere Fahrzeuge, besonders in der Nachrüstung wie mit BPW eTransport. Auf längeren Strecken wird sie zumindest in den kommenden zehn Jahren noch kaum wirtschaftlich sein, danach aber könnten die Grenzen verschwimmen. Die Brennstoffzelle eignet sich dagegen für Größenordnungen ab 3,5 Tonnen und bei mehr als 250 Kilometer Tagesreichweite. Wenn ich jetzt einen Lkw umrüsten oder neu bauen wollte, würde ich immer eine Kombination aus einer etwas kleiner dimensionierten Batterie und einem Brennstoffzellen-Range-Extender nutzen.

Was spricht trotzdem gegen die Technologie?
Ihre Effizienz wird häufig kritisiert. Wobei man da das Gesamtpaket betrachten muss: Wenn ich beim E-Fahrzeug irgendwo bei 80 Prozent bin, dann sind es bei der Brennstoffzelle bei 40, beim Verbrenner 20 und bei synthetischen Kraftstoffen dann noch mal deutlich weniger. Die Effizienz alternativer Energien ist also gegenüber dem Verbrenner mindestens doppelt so hoch. Beim Speichern liegt Wasserstoff vorn. Insofern gilt wirklich: Die Brennstoffzelle ist genau die Technologie, die wir brauchen.
Welche Stärken hat Deutschland in puncto Brennstoffzelle?
Ich denke, sie kommt uns mit ihrer Wertschöpfungsstruktur auch volkswirtschaftlich sehr entgegen, denn wir können die hohe Komplexität gut bewältigen, verfügen über die nötigen Maschinen und viel Steuerungswissen. Bei der Batterie ist mehr chemische Kompetenz gefragt – da haben wir aufgeholt, können aber gerade im Hinblick auf Arbeitsplätze und Wertschöpfung nicht überall den besten Schnitt machen. Das allein ist nicht der Grund dafür, dass wir auf die Brennstoffzelle setzen sollen, aber in der Kombination ist es ein schöner Effekt.

»Der Brennstoffzellen-Truck ist mit Blick auf den Klimaschutz innerhalb der nächsten vier bis fünf Jahre notwendig – und dieser Zeithorizont ist meiner Meinung nach auch realistisch.«

Prof. Dr.-Ing. Achim Kampker

Welche Hürden gibt es noch?
Wie auch anfangs bei der Batterie ist die größte Herausforderung das Thema Kosteneffizienz. Das müssen wir jetzt anpacken und sind dazu auch tief in die Produktionsprozesse hineingegangen. Wir benötigen sicher fünfstellige Stückzahlen bei den Brennstoffzellensystemen, um Skaleneffekte zu erzielen – und damit haben wir eine Henne-Ei-Situation: Der Preis muss sinken, aber dazu brauchen wir höhere Stückzahlen. Diesen Knoten muss man zerschlagen, und daran arbeiten wir auch hier an der RWTH Aachen intensiv. Weitere Herausforderungen sind das Lieferantennetzwerk, das sich etablieren muss, die Qualität der Einzelelemente und möglichst niedrige Ausschussquoten. Die Brennstoffzelle funktioniert. Man muss eine hohe Zahl an Betriebsstunden erreichen, aber das ist über intelligente Systeme möglich. Man kann und sollte also jetzt massiv in eine Serienproduktion gehen.
Sollten hier dann vielleicht auch die Hersteller stärker kooperieren?
Auf der Ebene der Stack-Produktion wäre es meiner Meinung nach sinnvoll, wenn Hersteller zusammenarbeiten und nicht wie bei der Zellproduktion ein Jahrzehnt darüber diskutieren, ob die Herstellung der Zellen in Europa sinnvoll ist oder nicht. Es gilt, die Dinge gemeinsam voranzutreiben und sich dann über das System zu differenzieren. Der Brennstoffzellen-Truck ist mit Blick auf den Klimaschutz innerhalb der nächsten vier bis fünf Jahre notwendig – und dieser Zeithorizont ist meiner Meinung nach auch realistisch, um ihn in höheren Stückzahlen auf die Straße zu bringen, in kleineren Serien geht es auch schon früher. Das ist machbar.
„Einfach loslegen!“, „Schneller machen!“ – Das klingt simpel, aber in der Praxis gelingt es eben nicht immer ganz leicht. Was denken Sie: Was brauchen die Akteure noch, um hier aktiv zu werden?
In Deutschland ist sehr stark das Denken verankert, dass sich nach drei Jahren alles rechnen muss. Doch das funktioniert bei so einer Technologie nicht. Wir müssen daher den Mut aufbringen, zu investieren, um den Durchbruch zu schaffen – vor dem Hintergrund der Corona-Krise umso mehr. Leider sind Finanzierungen in Deutschland schwer zu bekommen: Wenn man sich nur anschaut, welche Summen in den USA oder in England für neue Nutzfahrzeughersteller bereitgestellt wurden, während es hier so schwierig war, einen Investor für Streetscooter zu finden, obwohl schon 12.000 Fahrzeuge im Einsatz waren! Das ist ein kulturelles Thema, und wenn wir weiterhin erfolgreich sein wollen, müssen wir das wirklich aufbrechen und das Kapital, das uns als Volkswirtschaft zur Verfügung steht, auch in solche Themen investieren statt nur in die Verbesserung von Prozessen. Nur so können wir auch in zehn Jahren noch so erfolgreich sein, wie wir es jetzt sind. Momentan setzen wir auf Pferde, die irgendwann tot sind und nicht weiter geritten werden können. Wir brauchen aber dringend die Fohlen, die eine Weiterentwicklung ermöglichen.
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