Das intelligente Ersatzteillager

Die BPW Aftermarket Group bietet Nutzfahrzeugwerkstätten an, ein mobiles Ersatzteillager mit bis zu 2.000 Teilen direkt auf dem Werkstattgelände aufzustellen.

Lesezeit ca. 5 Minuten
Text: Marit Vikhammer
Fotos: Marit Vikhammer, BPW Aftermarket Group

Der finnische Nfz-Ersatzteilhändler Trailcon, eine Tochtergesellschaft der BPW Gruppe, hat einen Container entwickelt, der als mobiles Ersatzteillager fungiert und über den Werkstätten rund um die Uhr selbst auf Teile zugreifen können.

Simo Rahtu arbeitet an einem Sattelauflieger. Die Zeit drängt, denn das Fahrzeug muss am nächsten Morgen für den Kunden wieder einsatzbereit sein. Als Rahtu feststellt, dass er noch weitere Ersatzteile braucht, bleibt er gelassen. Denn der Mechaniker bei TIP Trailer Services Kerava, 35 Kilometer nördlich von Helsinki, findet diese auf dem Werkstatthof, genauer gesagt in einem Container: Dort hat das Unternehmen Trailcon, das der BPW Aftermarket Group angehört, ein intelligentes, mobiles Ersatzteillager namens „Trailcont“ eingerichtet.

Mit einer elektronischen Zugangskarte öffnet Rahtu den Container. Während draußen der raue finnische Winter das Thermometer auf minus zwölf Grad Celsius zwingt, ist es drinnen hell und warm. Der Container besteht aus mehreren Räumen: Im ersten stehen ein Packtisch und ein Computerbildschirm, an den Wänden darüber sind zwei Radarscanner installiert. Der Weg in den hinteren Teil des Containers ist von zwei Gittertüren versperrt, die sich aber leicht zur Seite schieben lassen. Dahinter befindet sich ein Gang, in dem auf beiden Seiten Regale mit Ersatzteilen aller Art angebracht sind.

Routiniert wählt Rahtu die Teile, die er braucht, und legt sie auf den Tisch. Danach schließt er die Gittertüren – durch diesen Vorgang werden die Waren automatisch gescannt. Auf dem Bildschirm des Computers erscheint eine Liste mit allen Teilenummern. Der Mechaniker kontrolliert schnell, ob alles stimmt, und bestätigt es per Tipp auf den Touchscreen. Dann geht er zurück in die Werkstatt, um die Reparatur am Anhänger fortzusetzen.

Container mit durchdachtem Konzept

Im Jahr 2012 hat Trailcon mit dem mobilen Ersatzteillager ein zusätzliches Angebot für ausgewählte Kunden entwickelt: „Wir wollten ein einzigartiges Konzept umsetzen, mit dem wir uns von allen anderen Ersatzteillieferanten unterscheiden und das nicht leicht nachgeahmt werden kann“, so Hans-Peter Kraatz. „Ich habe ein Team von vier Mitarbeitern zusammengestellt, die dieses Projekt betreuen. Der Container ist innerhalb von sechs Monaten hier bei uns auf dem Hof entstanden.“

Die Innovation hat viele Ausstattungsmerkmale, die den Anforderungen in der Praxis entgegenkommen: Decke, Fußboden und Wände sind gründlich isoliert, eine Klimaanlage schützt vor Feuchtigkeit und sorgt zu jeder Jahreszeit für die gewünschte Temperatur. Der Container wird videoüberwacht, und bei Feuer wird Alarm ausgelöst. Die Innenbeleuchtung wird über Bewegungssensoren gesteuert, und der Zugang zum Container wird elektronisch kontrolliert – dazu hat jeder Benutzer eine eigene Zugangskarte.

Joonas Kraatz (Rechts), Geschäftsführer von Trailcon, und Otso Makkonen, Werkstattleiter bei TIP in Kerava, sind von dem Ersatzteilcontainer begeistert. Jedes Teil hat einen eigenen, markierten Platz im Regalsystem.

Intelligente RFID-Technologie

Alle Artikel, die in einen Trailcont geliefert werden, werden auch mit einem RFID-Aufkleber versehen. Diese erstellt Trailcon mit einem speziellen Drucker. „Wenn die Radarscanner aktiviert werden, kommunizieren sie mit den RFID-Elementen in dem Aufkleber“, so Kraatz. „Das Datenverarbeitungssystem registriert die Antwort. Dadurch müssen die Teile nicht einzeln gescannt werden. In weniger als einer Sekunde registriert das System alle Warenein- und -ausgänge und aktualisiert die Bestandsdaten in Echtzeit.“

Wenn das System Warenausgänge feststellt, schickt es automatisch eine Auffüllbestellung an Trailcon sowie eine Auftragsbestätigung und eine Rechnung an den Kunden. Die Trailcon-Mitarbeiter packen die entsprechenden Ersatzteile zusammen und sorgen dafür, dass die Regale des Containers schon am nächsten Morgen wieder aufgefüllt sind.

„Die RFID-Markierung gibt jedem Ersatzteil eine eigene Identität“, sagt Joonas Kraatz, der seit 2016 Geschäftsführer von Trailcon ist und für die vierte Generation im Familienunternehmen steht. „Die Technologie schafft viele Möglichkeiten.“ Dank der RFID-Markierungen können die Kunden das Prinzip „First in – first out“ nutzen. Zudem ist leicht zu erkennen, wie alt ein Produkt ist – was besonders bei Chemikalien wie Schmierfetten sehr wichtig sein kann. „In einem traditionellen Ersatzteillager kann es sehr lange dauern, die Waren zu zählen“, so Joonas Kraatz. „Dadurch, dass bei uns alle Ein- und Ausgänge im Container gescannt und im Datenverarbeitungssystem registriert werden, haben die Benutzer jederzeit den vollen Überblick über den Bestand. Das macht sehr schnelle Inventuren möglich.“

Ersatzteillager in der Praxis bewährt

Der erste Ersatzteilcontainer wurde 2013 bei einem Kunden aufgestellt. Inzwischen betreibt Trailcon 18 Container in ganz Finnland. Bevor ein Trailcont platziert wird, gibt es eine genaue Analyse, welchen Bedarf die jeweiligen Werkstätten an Ersatzteilen haben. 800 verschiedene Teilenummern sind verfügbar, um eine maßgeschneiderte Produktpalette zu erstellen. Ein Container bietet Platz für 1.300 bis 2.000 Ersatzteile. Die meisten Container werden von Werkstätten genutzt. An einigen Orten haben sich mehrere Werkstätten zusammengeschlossen und nutzen einen Trailcont gemeinsam. Überschreitet der Bedarf die Kapazität des Containers, lassen sich problemlos auch mehrere nebeneinander platzieren oder aufeinanderstapeln. „Das Konzept hat sich in der Praxis sehr gut bewährt, das Feedback unserer Kunden ist durchweg positiv“, berichtet Hans-Peter Kraatz. „Sowohl die technischen Lösungen in den Containern, als auch die Datenverarbeitungssysteme funktionieren einwandfrei.“

»Die Zielgruppe des Trailcont-Konzepts sind große Transportunternehmen mit eigener Werkstatt und NFZ-Werkstätten, die rund um die Uhr und ganzjährig Zugang zu Ersatzteilen brauchen.«

Hans-Peter Kraatz

Gegenseitiger Nutzen

Bei TIP Trailer Services arbeiten 14 Mechaniker in zwei Schichten von morgens um sieben bis abends um acht Uhr. Werkstattleiter Otso Makkonen erklärt: „Wir konnten durch Trailcont die Anzahl der Vorarbeiterstellen senken und mehr Mechaniker einstellen. Hinzu kommt, dass wir den Platz in unserer Werkstatt jetzt besser nutzen, denn wir benötigen ja weniger Lagerfläche.“ Die einzigen Kosten, die der Werkstatt im Zusammenhang mit dem Container entstehen, sind Stromkosten. 

Trailcon hat für die Containerlösung Trailcont ein Patent beantragt. Alle Ersatzteilhändler in der BPW Aftermarket Group können das mobile Ersatzteillager anbieten.

Ersatzteilcontainer auch in Deutschland verfügbar

Was sich in Finnland bewährt hat, wurde 2018 unter anderem auch nach Deutschland gebracht: Die sogenannte upBox ist ein intelligentes Ersatzteillager, das Nutzfahrzeugwerkstätten auf ihrem Gelände positionieren können. Der robuste 40-Fuß-Container ist komplett mit Regalen, Klimaanlage, Videoüberwachung sowie digitalen Funk- und Sicherungssystemen ausgestattet. Das Sortiment an Ersatzteilen wird individuell zusammengestellt. Damit werden bis zu 2.000 Teile direkt vor dem eigenen Werkstatttor und rund um die Uhr verfügbar. Auch bei der upBox trägt jedes Teil ein RFID-Funketikett. Wenn es entnommen wird, registriert die Box das automatisch und berührungslos – das System erfasst alle Ein- und Ausgänge und die Bestandsdaten werden in Echtzeit aktualisiert, Abrechnung und Nachbestellung erfolgen automatisch.

„Der Arbeitsalltag unserer Kunden wird mit der upBox sehr viel einfacher“, erklärt Ralf Maurer, Geschäftsführer der BPW Aftermarket Group Deutschland GmbH. „Die Technik und die Datenverarbeitungssysteme haben sich in Finnland bereits mehrere Jahre bewährt. Wir freuen uns, diese Innovation nun auch in andere Länder zu bringen und sind sicher, dass die Werkstätten von dieser Innovation ebenso begeistert sein werden wie bereits in Skandinavien.“

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upBox: Das intelligente Ersatzteillager fürs Werkstattgelände
Um auch in Zukunft Nfz-Werkstätten und Speditionsunternehmen dabei zu unterstützen, Fahrzeuge schnell, sicher, effizient und zugleich zeitwertgerecht zu reparieren und zu warten, baut die BPW Aftermarket Group ihr Netzwerk in Europa weiter aus: Seit April 2019 werden die Filialen der Ersatzteilhändler BESKO Nutzfahrzeugteile GmbH, HERZ Nutzfahrzeugteile GmbH sowie NTV Nutzfahrzeugteile Oesterhaus KG schrittweise zusammengeführt. Künftig treten die insgesamt 15 Niederlassungen unter dem Namen BESKO auf. „Die unbedingte Orientierung auf die Kunden und ihre Anforderungen sind unser Ziel und Motor“, berichtet Malte Köttgen, der die Geschäftsführung von BESKO in Deutschland übernommen hat. „Um eine hohe Uptime von Fahrzeugflotten sicherzustellen, beliefern unsere Ersatzteilhandelsgesellschaften ihre Kunden absolut verlässlich und zeitnah.“

Trailcon

Gegründet wurde Trailcon 1998 von Hans-Peter Kraatz. Er leitet auch das Unternehmen BPW Kraatz Finance Oy in Espoo. Sein Großvater Henry Kraatz hatte den Vorläufer dieser Firma 1922 als Import/Export-Agentur ins Leben gerufen. 1938 schloss Kraatz einen Liefervertrag mit BPW, 1985 wurde das Unternehmen zur Tochtergesellschaft der Bergische Achsen KG. In den 1950er-Jahren begannen finnische Firmen, Lkw-Anhänger zu bauen, rund 20 Jahre später nahm die Produktion kräftig Fahrt auf. Hans-Peter Kraatz verkaufte Achsen und erweiterte die Palette schon bald um immer mehr Teile und Ersatzteile. Mit seinem Sohn Joonas Kraatz teilt er die Begeisterung für den Vertriebsmarkt. Der Senior hat Trailcon für mehr Kundennähe und einen noch besseren Service aus der Taufe gehoben.

BPW Kraatz Finance Oy führt heute fünf Tochtergesellschaften in Finnland und den baltischen Staaten mit insgesamt 330 Mitarbeitern. Der Konzern betreibt drei Werkstätten und 42 Zweigstellen, die Ersatzteile verkaufen.

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