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Text: Juliane Gringer
Fotos: Agora Verkehrswende, Urban Catalyst, AdobeStock – alphaspirit, Pixabay
Um die City-Logistik nachhaltiger und bewohnerfreundlicher zu machen, testen viele europäische Städte eigene Wege. So setzt Göteborg zum Beispiel auf Konsolidierungen im innerstädtischen Güterverkehr, Zürich hinterfragt, welche Entwicklungen im Einzelhandel die Stadt in Zukunft prägen werden, und Utrecht strebt ein komplett emissionsfreies Zentrum an.
Bereits seit 2006 dürfen die Städte in den Niederlanden über die Einführung von Umweltzonen und ihre genauen Beschränkungen selbst entscheiden. Metropolen wie Utrecht, Rotterdam oder Amsterdam haben die Zonen eingeführt, um damit Stickstoffoxide und Feinstaub zu bekämpfen. Die unterschiedlichen Regelungen waren für die Autofahrer jedoch teilweise unübersichtlich. Daher strebt die Regierung nun eine stärkere Koordination an.
Fokus auf Elektromobilität
Perspektivenwechsel in Schweden
„Warum betrachten wir Fracht und städtische Logistik in erster Linie als Verkehrsproblem?“, fragt Malin Andersson, Abteilungsleiterin für Entwicklung und internationale Angelegenheiten bei der Göteborger Stadtverkehrsverwaltung. „Ich denke, wir müssen diese Perspektive ändern – und wir müssen das gemeinsam tun.“ Sie ist überzeugt: Eine reibungslose und nachhaltige städtische Güterverteilung ist die Grundlage für ein gutes und pulsierendes Stadtleben und damit für eine attraktive Stadt.
Göteborg, die zweitgrößte Stadt Schwedens, ist ein wichtiger Verkehrsnotenpunkt im Norden und setzt gerade das größte Stadtentwicklungsprojekt Skandinaviens um: „RiverCity“ soll an den Ufern des Flusses Göta älv entstehen, der mitten durch Göteborg fließt. Fünf Millionen Quadratmeter Bauland werden direkt am Wasser erschlossen, auf denen man ein integratives, grünes und dynamisches Leben und Arbeiten für die Menschen der Stadt möglich machen will – mit einem besseren Zugang zu erneuerbaren Energien, leistungsfähigem öffentlichen Verkehr und vernetzten Wegen für Fußgänger und Radfahrer. „Wir müssen hier ganz konkret Lösungen entwickeln, um langfristig eine größere und dichtere Stadt mit einer noch nachhaltigeren Mobilität zu verbinden und dabei kurzfristig ein effizientes Verkehrssystem für Menschen und Güter zu sichern“, so Andersson. „Und das vor dem Hintergrund, dass durch RiverCity derzeit jede Menge Baustellen nötig sind.“
City-Maut reduzierte Verkehrsaufkommen
Autofreies Wohnen in der Schweiz
Der Sihlbogen in Zürich ist die größte autoarme Siedlung der Schweiz. Wer dort wohnen will, muss sich verpflichten, ohne eigenes Auto zu leben. Die „Vereinbarung Parkplatzverzicht“ ist streng – aber sie ermöglicht und sichert eine hohe Lebensqualität. Die Metropole engagiert sich recht intensiv für ihre Bürger. Um zu erörtern, welche Entwicklungen im Handel in Zukunft wirken werden und wie sie Zürich verändern könnten, hat die Stadt das Berliner Planungsbüro Urban Catalyst beauftragt, den Einfluss solcher Trends auf den Einzelhandel zu untersuchen. Die Studie namens „Handel im Wandel“ konzentrierte sich auf drei Entwicklungen: Digitalisierung, Wertewandel im Handel und Kundenorientierung. „Wir haben analysiert, welchen Einfluss diese Trends auf die Stadtquartiere haben“, erklärt Dr. Cordelia Polinna, geschäftsführende Gesellschafterin von Urban Catalyst. „Der öffentliche Raum ist heute eine Bühne des Handels. Wenn man ihn als Stadt unterstützen will, hat man nicht so viele Möglichkeiten – man kann ja Einzelhändler nicht direkt fördern. Aber man kann Straßen und Plätze attraktiv gestalten und ihnen damit eine hohe Aufenthaltsqualität geben, sodass der Handel dort weiterhin gedeihen kann.“


Von „Back to the Roots“ bis „Brutal digital“
Die Berliner Experten haben mehrere Szenarien dazu entwickelt, wohin diese Trends den Einzelhandel führen können und was das jeweils für die Stadt, ihre Bewohner und den Lieferverkehr bedeuten könnte. Das reicht von dem „Back to the roots“-Modell, das sehr an Nachhaltigkeit orientiert ist, über „Digital Paradise“, in dem der Einzelhandel hauptsächlich online abgewickelt wird, bis zu „Brutal digital“, bei dem sich die gesamte Struktur der Innenstadt auflöst – zugunsten einer komplett digitalen Welt. In letzterem Szenario würden beispielsweise Logistik- und Mobilitätshubs als Verteilerzentren enorm an Bedeutung gewinnen und auch viel Fläche und Raum einfordern. Der Stadtraum wäre dagegen geprägt von Leerstand im Einzelhandel. „All dies ist völlig überspitzt, und das war auch der Sinn der Übung“, so Polinna. „Es war ein Gedankenspiel, das Impulse geben soll.“ Das Amt für Stadtentwicklung Zürich wollte vor allem wissen, was die öffentliche Hand tun kann, um mit diesen Entwicklungen umzugehen, auf sie zu reagieren und die Stadt für die Herausforderungen zu stärken. Sie haben das Thema mit der gesamten Stadtregion weiter untersucht und wollen die Handlungsempfehlungen, die daraus abgeleitet wurden, nun umsetzen: Dazu gehört unter anderem die Einrichtung von Abholstationen in städtischen Immobilien als neue Logistiklösung an der Schnittstelle zwischen Onlinehandel und Lieferverkehr.

Die Experten, die in diesem Artikel zitiert werden, haben auf der Veranstaltung „Ausgeliefert?! Die Zukunft des städtischen Güterverkehrs“ der Agora Verkehrswende gesprochen. Die Agora Verkehrswende ist ein Think Tank, der den Umbau zu einem klimafreundlichen und nachhaltigen Verkehrssystem fördern will. Sie ist eine Initiative der Stiftung Mercator und der European Climate Foundation.
Ich finde es sehr gut, dass die Niederlande sehr ambitioniert an den Klimaschutz gehen. Das ist ja auch notwendig. Mein Auto soll auch weichen. Ich werde mir ein Elektrofahrrad kaufen und einen Anhänger dazu. In Kleve benötigt man nicht unbedingt ein Auto.
Vielen Dank für Ihren Input! Vielleicht gefallen Ihnen auch unsere weiteren Artikel aus der Rubrik „Smart City“! LG, das motionist.com Team
Hilfreich. Beiträge verschiedener Kommunen, deren Akteure, Entscheider und Stakeholder. Wir müssen urban(er), MIKroMobil(er) und Bürger*innen-konformer unsere städtischen Räume neu denken bzw. bedenken.