Aufschwung im Wirtschafts-Wunderland

Lesezeit ca. 5 Minuten
Text: Juliane Gringer
Fotos: Bernd Rhein, BPW India

Indiens Wirtschaft blüht auf – die Wachstumsraten sind beachtlich. Damit steigen auch die Anforderungen an Transport und Logistik. Kamal, einer der größten indischen Hersteller von Kipper-Fahrzeugen, hat einen ersten Kipper mit BPW Luftfederung ausgestattet. Die Technologie bietet vor allem angesichts der rauen Bedingungen auf den Straßen des Landes viele Vorteile.

„Incredible India“ – „Unglaubliches Indien“: So hieß es auf einer großen Werbeanzeige in der Ankunftshalle des Flughafens von Neu-Delhi, als Bernd Rhein, Technischer Kundenberater bei BPW, vor sechs Jahren zum ersten Mal nach Indien reiste. „Bei meiner Ankunft habe ich den Slogan nur am Rande wahrgenommen. Aber als ich zurückgeflogen bin, fiel er mir noch mal ins Auge, und ich dachte: Das beschreibt dieses Land ganz genau. Man kann sich kaum vorstellen, was man dort alles zu sehen bekommt.“ Rhein erlebte Indien als ein Land der starken Kontraste: „Es gibt dort bitterste Armut und gleichzeitig großen Reichtum. Es ist ein wundervolles Land mit atemberaubender Natur und auch mit faszinierenden Menschen. Viele von ihnen legen großen Wert auf Ästhetik, tragen beispielsweise sehr farbenfrohe Kleidung.“ Indien ist ein Land im Aufbruch: Die Wirtschaft wuchs im Jahr 2018 um 7,05 Prozent gegenüber dem Vorjahr – stärker als in China oder jeder anderen Volkswirtschaft. Das reale Bruttoinlandsprodukt stieg zwischen 2008 und 2018 um 7,6 Prozent. Noch einmal den gleichen Wert prognostizieren Experten bis 2023, also in der Hälfte der Zeit. Der Bedarf an Transport- und Logistikdienstleistungen ist entsprechend hoch und steigt ebenfalls weiter an. Der Nutzfahrzeugverkauf verzeichnete in Indien zwar im Frühsommer einen deutlichen Rückgang: Das BPW Tochterunternehmen BPW India wächst jedoch gegen diesen Trend weiterhin an.

Anzahl der produzierten Nutzfahrzeuge in Indien im Geschäftsjahr 2008/2009

Anzahl der produzierten Nutzfahrzeuge in Indien im Geschäftsjahr 2018/2019

Quellen: International Monetary Fund, World Economic Outlook Database 2018, Statista 2018 & SIAM India, Statista 2019

Anwendungsfälle diskutieren

Im Frühjahr 2019 reiste Bernd Rhein wieder nach Indien – diesmal, um gemeinsam mit Nagaraj Ubale und Rajiv Bhagat von BPW India Fahrzeuge des Kunden Kamal etwa 300 Kilometer südwestlich von Jaipur zu untersuchen. Der große indische Hersteller von Kipper-Fahrzeugen hat einen ersten Auflieger mit BPW Luftfederung ausgestattet und transportiert damit Baumaterialien. Das Team wünschte sich fachliche Beratung von dem Experten aus Deutschland. „Für Kipper ist Stabilität immens wichtig“, erklärt Bernd Rhein. „Wir haben mit den Konstrukteuren mehrere Lösungen für ihre Anwendungsfälle diskutiert, so wie wir sie auch in Europa umsetzen – zum Beispiel die Absenkung des Luftfederniveaus vor dem Kippen.“

Kamal, ein großer indischer Hersteller von Kipper-Fahrzeugen, hat einen ersten Auflieger mit BPW Luftfederung ausgestattet.

Laut Nagaraj Ubale war die Unterstützung aus Deutschland sehr hilfreich: „Es ist hilfreich, dass BPW Wiehl uns mit der umfangreichen Erfahrung zur Seite gestanden hat. Von so einem Austausch können unsere Kunden und wir nur profitieren.“ Rajiv Bhagat ergänzt: „Wir möchten, dass unsere Kunden die Produkte von BPW optimal nutzen können, und betreuen sie daher sehr intensiv. Unser Straßennetz in Indien umfasst 4,7 Millionen Kilometer – damit ist es nach den USA das zweitgrößte weltweit. Doch viele Straßen sind in keinem guten Zustand, da muss noch viel investiert werden. Umso wichtiger ist es, dass Transporteure hochwertige Fahrzeuge einsetzen können.“

Nah am Kunden

BPW India hat seinen Sitz in Pune, der nach Mumbai zweitgrößten Stadt im indischen Bundesstaat Maharashtra. Die Region ist ein Industriezentrum, vor allem für Automobile, Leichtindustrie und Maschinenbau. Namhafte Fahrzeugbauer wie Daimler oder VW unterhalten dort riesige Werke, aber auch viele Speditionen haben sich dort niedergelassen. Von Pune aus vertritt BPW India mit einem sehr gut ausgebildeten Team von 36 Menschen europäische Fahrwerkstechnik. Das BPW- Serviceteam führt bei Neukunden grundsätzlich die Erstmontage der Aggregate vor Ort durch. „Die Kollegen bauen kontinuierlich Kontakte zu Kunden auf – vor allem zu Fahrzeugbauern und -betreibern, die hochwertige Fahrzeugtechnik bevorzugen“, erklärt Bernd Rhein. „Auf dem indischen Markt können wir vor allem mit Aspekten wie der langen Haltbarkeit und der Wartungsfreundlichkeit unserer Produkte überzeugen.“

Das sehr gut ausgebildete Team von BPW India vertritt europäische Fahrwerkstechnik.

Auf seiner diesjährigen Indienreise fiel Bernd Rhein auf, dass deutlich mehr Sattelzüge auf den Straßen des Landes unterwegs sind als noch vor sechs Jahren: Die Kombination aus einem zwei- oder dreiachsigen Zugfahrzeug und einem dreiachsigen Auflieger setzt sich offenbar durch. „Mehrheitlich sieht man noch Lkw ohne Anhänger oder Auflieger, also reine Motorwagen – das ist typisch für eher schwach entwickelte Länder“, erklärt Bernd Rhein. „Doch mit dem wirtschaftlichen Aufschwung werden andere und vor allem mehr hochwertige Fahrzeuge gebraucht. Und auch in Indien erkennt man zunehmend, dass man die Wirtschaftlichkeit der Fahrzeuge verbessern kann, wenn der Laderaum größer ist.“

Langfristige Zusammenarbeit

Betrachtet man die Einwohnerzahl, so sind Indien und China gut vergleichbar: In beiden Staaten leben knapp 1,4 Milliarden Menschen – in Indien müssen sie jedoch mit etwa einem Drittel der Fläche auskommen, die den Chinesen zur Verfügung steht. Und trotz der derzeit mehr als beachtlichen Wachstumsraten hinkt Indien dem starken Aufschwung in China noch immer weit hinterher. „Die Entwicklung Indiens ist mit der von China nicht zu vergleichen – aber China zeigt durchaus einen Weg, den so ein Land nehmen kann“, sagt Bernd Rhein.

In Indien sieht der Technische Kundenberater viele Voraussetzungen für wirtschaftliche Sicherheit und Weiterentwicklung gegeben. Mitverantwortlich für den Aufschwung in Indien ist Premierminister Narendra Modi, der dem Thema Verkehr hohe Priorität einräumt. Das „goldene Viereck“ zwischen Neu-Delhi im Norden und Mumbai im Westen sowie Chennai im Südosten und Kalkutta im Nordosten wird durch Fracht-Korridore gestärkt. Zudem führte Modi ein einheitliches Umsatzsteuersystem ein, das den Handel erleichtert. Dennoch gibt es weiterhin viele Probleme: Die Städte sind geprägt von Staus, und neu gebaute Straßen sind in der Regel von eher minderer Qualität – sie halten den Belastungen des intensiven Verkehrs nicht lange stand. „Es gibt deshalb sehr moderne Wiegeeinrichtungen an den Autobahnen, ähnlich wie an Maut-Stationen“, berichtet Bernd Rhein. „Wer auf der Autobahn fahren will, muss mit seinem Fahrzeug die Waage passieren und wird bei Überladung sofort gestoppt.“

Die Straßenverhältnisse sind in Indien oftmals eine Herausforderung für Transporteure – bei den Komponenten ihrer Fahrzeuge setzen deshalb immer mehr auf die besonders robusten und langlebigen Produkte von BPW.

Für alle Einsätze und Transporte gewappnet

Stabile, langlebige Fahrzeuge sind in Indien gefragt. Und gerade die Luftfederung kann hier gegenüber der mechanischen Federung viele Vorteile ausspielen: So bietet sie unter anderem aufgrund lastabhängiger Federcharakteristik einen besseren Fahrkomfort und mehr Sicherheit für Ladung, Fahrzeug und Fahrer in allen Belastungssituationen. „Bei einer mechanischen Federung verbiegen sich die Blattfedern nur unter entsprechend hoher Last – wenn das Fahrzeug leer ist, macht es beim Fahren nicht nur viel Lärm; Fahrzeug und Straße sind dann auch viel anfälliger für Schäden“, erläutert Bernd Rhein. Die Fahrhöhe der BPW Luftfederung lässt sich für die einfache Be- und Entladung anpassen und die Federung mit einem oder mehreren Achsliften günstig kombinieren. Auch Elektronikfunktionen wie Fahrhöhen- oder Achsliftsteuerung sind einfach zu integrieren. Die dynamischen Radlasten sind gering – das sorgt für hohe Fahrsicherheit, denn die Federung sichert auch auf schwierigen Straßenverhältnissen und in Kurven den Bodenkontakt ab. Ein großer Ausgleichsweg ermöglicht Aggregate mit bis zu sechs Achsen, und die modulare Achsaggregatstruktur erlaubt unterschiedliche Radstände. Die Reifen werden durch einen besseren Bremslastausgleich und die einfache Realisierung der lastabhängigen Bremse geschont. „Besonders vorteilhaft für die Anwendung in Ländern wie Indien ist, dass die Luftfederung wartungsfrei ist“, sagt Bernd Rhein. „Zudem ist sie straßenfreundlich sowie im Betrieb sehr geräuscharm und somit für alle Einsätze und Transporte gewappnet.“

Die Verkehrsinfrastruktur in Indien muss noch stark ausgebaut werden, auch um mit der wirtschaftlichen Weiterentwicklung Schritt zu halten. Die Traditionen des Landes werden dabei sicher erhalten bleiben: Viele Fahrzeuge werden aufwendig bemalt oder umgebaut.
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2 Kommentare

  1. Sehr interessant- die Bilder sind fantastisch!

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    • Vielen Dank, das freut uns sehr!

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